Der Jadereiter
interessiert; jetzt geht es um eine Herzensangelegenheit. »Deinen Bruder? Mein Beileid. Wirst du ihn rächen?«
»Natürlich.«
»Das wird nicht so leicht. Ich war selber nicht da, aber ich hab gehört, daß eine Gang hier aufgetaucht ist. Junge Männer auf Motorrädern.«
»Wer sagt das?«
»Old Tou. Er hat vor seiner Hütte geraucht, als der Wagen und dann die Motorräder kamen.«
»Ich muß mit Old Tou reden.«
Der Stammesführer versucht, ein spöttisches Lächeln zu unterdrücken. »Ich denke, das wird schwierig.« Er bedeutet mir mit einer Geste, daß ich ihm folgen soll, und wir trotten über den unebenen Boden zu der schäbigsten der Hütten. Das Blätterdach auf dem Bambusrahmen ruht auf nicht mal eins vierzig hohen zerbeulten Aluminiumbehälterteilen. Hat ein Laster diese Teile eines schönen Tages, als Tou noch jung war, über die Brücke geworfen? »Hilf mir.«
Zusammen hieven wir das ganze Dach herunter und setzen es auf dem Boden ab. Zwischen den Aluminiumwänden schnarcht kehlig ein hagerer, grauhaariger Mann. »Zuviel Moonshine«, sagt der Stammesführer, als hätte er selbst noch nie etwas mit diesem Zeug zu tun gehabt. »Soll ich ihn aufwecken?« Der Stammesführer zieht eine der Wände weg und kickt Old Tou in die Wade, ohne daß dieser reagiert. Dann folgen weitere Tritte in das Hinterteil, alle heftiger als der erste, bis ich schließlich sage: »Das reicht.« Wir heben das Dach wieder hoch. »Wacht der überhaupt irgendwann auf?«
»Normalerweise taucht er gegen Mittag auf – dann fängt er gleich mit dem Moonshine an und trinkt weiter, bis er so ist wie jetzt. Wahrscheinlich macht er’s nicht mehr lange.«
»Ich komme morgen mittag noch mal her. Ich brauche ihn nüchtern, also gebt ihm kein Moonshine, okay?« Der Mann nickt, die Andeutung eines Lächelns auf den Lippen. »Hat denn niemand sonst was gesehen?« Der Stammesführer schaut hinüber zum Kanal. »Frag die da drüben.« Er zeigt auf die Kartenspieler und die Frauen an den Kochtöpfen. Ich weiß, das ist aussichtslos. Nur ein Trinker, der vermutlich die Woche nicht überleben wird, sagt der Polizei vielleicht die Wahrheit. Ich mache mich auf den Weg zurück zur Straße. »Sorg dafür, daß er nüchtern ist«, wiederhole ich. »Ich glaube, dein Colonel Suvit möchte nicht, daß FBI-Agenten hier aufkreuzen und sich die Sache mit dem Moonshine, den Glücksspielen und dem yaa baa genauer ansehen.«
»Von uns nimmt keiner yaa baa « , sagt der Stammesführer ein wenig vorwurfsvoll. »Das ist eine Killerdroge.«
Ich fahre mit dem Taxi zum Fluß und dann in einem kleinen Longtail-Boot, in dem sich außer mir nur der Bootsmann sowie zwei Mönche befinden, nach Hause. Wir brausen an anderen Longtails und Reisbooten vorbei, die in der Nacht fast nicht zu sehen sind. Als wir anlegen, lasse ich den Mönchen den Vortritt; ich sehe dem älteren der beiden zu, wie er sorgfältig seine Robe rafft, damit sie sich nicht im Holz des alten Landestegs verfängt, der von einer einzigen Gaslaterne auf einem Holzstapel erhellt wird. Die Mönche durchschreiten diesen magischen Zirkel weißen Lichts und verschwinden in der Dunkelheit dahinter. Ich gehe auf ungepflasterten Wegen zwischen Squattersiedlungen hindurch zu meiner Wohnanlage.
Unter der Markise unterhält sich der Motorradtaxifahrer von vorhin mit einem seiner Freunde. Als er mich sieht, springt er sofort auf und folgt mir in das Gebäude. Ich zahle ihm zwölfhundert Baht für drei yaa-baa- Pillen,obwohl er sie mir gratis geben will. Ich sage ihm, daß ich kein solcher Cop bin, als ich ihm das Geld reiche. Da hören wir von draußen das Aufheulen einer großen Maschine, größer als alle der Motorradtaxifahrer, und wir treten hinaus. Dem Jungen fällt beim Anblick dieser Erscheinung aus der Zukunft die Kinnlade herunter. Der Fahrer trägt eine schwarze Lederkluft mit Knie- und Schulterpolstern sowie einen nagelneuen getönten Helm. Er sitzt auf einer Yamaha 1200ccm, die es im zweiten Gang wahrscheinlich auf hundert Sachen bringt. Auf seinem Rücken prangt das Logo von Federal Express. Er braucht nichts zu sagen, als er von seiner Maschine steigt und den Helm absetzt: Er ist der Held des Augenblicks. Ein wenig von seinem Glanz färbt auf mich ab, als klar wird, daß er meinetwegen hier ist.
Das DIN-A-4-Jiffy-Bag, dessen Empfang ich mit meiner Unterschrift bestätige, kommt von der amerikanischen Botschaft. Darin befindet sich ein um ein Motorola-Handy mit Akku, Bedienungsanleitung und
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