Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Jäger

Der Jäger

Titel: Der Jäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
Vom Netzwerk:
es nicht. Ich weiß es wirklich nicht. Ich weiß nicht, was mit den Kindern geschehen soll, ich habe niemanden, der sich um sie kümmern könnte.«
    »Haben Sie keine Eltern oder andere Verwandte, die fürs Erste …«
    Müller schüttelte den Kopf. »Andere Leute haben Eltern oder Verwandte! Meine Mutter ist gestorben, als ich noch ein Kind war, mein Vater lebt irgendwo in Norddeutschland, er ist wieder verheiratet, und ich habe schon seit Jahren keinen Kontakt mehr zu ihm. Geschwister habe ich keine, und es gibt auch keinen Onkel oder eine Tante. Die Mutter von meiner Frau ist im Altersheim, die einzige richtige Verwandte ist Erikas Schwester, aber die lebt in Kanada und hat selbst fünf Kinder. Nein, ich muss das wohl allein schaffen. Wenn ich nur wüsste, wie. Es ist ein Scheißleben. Julia und Thomas fragen mich seit Samstag andauernd, wann ihre Mutter wiederkommt. Und irgendwann werde ich es ihnen sagen müssen. Aber wie sagt man kleinen Kindern am besten, dass ihre Mutter nie mehr wiederkommen wird? Dass sie sie nie mehr zu Bett bringen wird? Dass sie sie nie wieder streicheln wird? Dass sie ab sofort ohne eine Mutter auskommen müssen? Wie sagt man es ihnen? Sie haben doch Erfahrung in so was, oder? Wie?«
    Nein, Julia Durant hatte keine Erfahrung in so was. Sie hatte noch nie einem kleinen Kind erklären müssen, dass die Mutter nicht mehr wiederkommen würde, weil irgendwer nicht wollte, dass sie noch länger lebte. Dass ihr jemand eine Schlinge um den Hals gelegt und so fest zugezogen hatte, bis auch der letzte Rest Luft aus ihren Lungen gepresst worden war. Sie schüttelte den Kopf und sah Müller an, der ihr Leid tat. »Nein, ich weiß es nicht. Ich habe keine Kinder, und ich habe auch noch nie einem Kind eine solche Nachricht überbringen müssen. Es tut mir Leid.«
    »Schon gut, ich habe auch nichts anderes erwartet. Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen wollen, ich möchte mit meinen Kindern allein sein.«
    »Hier«, sagte die Kommissarin und legte ihre Karte auf den Tisch. »Wenn Ihnen noch irgendetwas einfällt, dann können Sie mich jederzeit erreichen. Und ich kann Ihnen nur noch einmalversichern, dass es uns allen sehr Leid tut. Obgleich es Ihnen wohl nicht viel hilft. Ach ja, auch wenn es Ihre Privatsphäre verletzt – hat Ihre Frau Tagebuch geführt?«
    Er zögerte, sah die Kommissarin mit glasigen Augen an. »Nein, nicht, dass ich wüsste. Warum? Was erhoffen Sie sich davon?«
    »Im Moment gar nichts. Aber Tagebücher enthalten manchmal Dinge, die für uns sehr aufschlussreich sind.«
    »Und wenn, es wären intime Details!«, sagte Müller entrüstet.
    »Und eben das könnte uns weiterführen. Sie wollen doch genau wie wir den Mörder Ihrer Frau finden, oder? Was immer an intimen Details im Tagebuch stehen würde, es interessiert uns nicht. Wir suchen nach Anhaltspunkten. Und auch sonst würden wir Sie bitten, mit uns zu kooperieren. Sie brauchen keine Angst zu haben, dass irgendetwas von dem, was wir lesen, an die Öffentlichkeit gelangt.«
    »Nein, sie hat keins geführt«, sagte Müller mit einem Mal schroff. »Auf Wiedersehen, und finden Sie bald das Schwein, das das getan hat. Und glauben Sie mir, sollte ich ihn vor Ihnen finden, ich werde ihn mit eigenen Händen umbringen.«
    »Das wäre Selbstjustiz.«
    »Ich scheiß drauf. Ehrlich.«
    »Na ja, kann ich verstehen. Eine Frage noch – sagen Ihnen die Namen Juliane Albertz und Carola Weidmann etwas?«
    »Nein, warum?«
    »Hätte ja immerhin sein können.«
    »Haben die beiden irgendwas mit meiner Frau zu tun?«
    »Nein, nein, ganz sicher nicht. Es war nur eine Frage.«

Montag, 11.10 Uhr
     
    Sie gingen langsam das Treppenhaus hinunter und stiegen in den Lancia. Sie sahen sich kurz an, Hellmer zuckte die Schultern. »Ich wüsste auch nicht, was ich meinem Kind sagen sollte. Und glaubst du, dass sie wegen des Wagens umgebracht wurde?«
    »Im Leben nicht. Da steckt viel mehr dahinter. Weder bei der Albertz noch bei der Weidmann wurde auch nur das Geringste entwendet. Warum hat derjenige ihre Schamlippen mit einer goldenen Nadel durchstochen? Jemand, der ein Auto klauen will, tötet, schnappt sich die Wagenschlüssel und haut ab. Aber sie wurde seit Samstagmorgen vermisst und erst gestern Nacht gefunden. Wo war sie in den zwei Tagen? Und was hat sie ihrem Mann verheimlicht? Es ist haargenau das Gleiche wie letztes Jahr. Zwei Tage sind jeweils vergangen, bis man die Leichen gefunden hat.«
    »Was, wenn sie auf dem Nachhauseweg überfallen

Weitere Kostenlose Bücher