Der Jäger
und verschleppt wurde? Der Täter hat sie vielleicht doch missbraucht und gequält, bis er die Lust am Spiel verloren und sie schließlich umgebracht hat. Noch kennen wir den Autopsiebericht nicht. Und dann hat er sie im Schutz der Dunkelheit im Park abgelegt.«
»Lass uns hinfahren, ich will mir die Stelle genau ansehen. Du weißt doch, wo sie gefunden wurde, oder? Und außerdem, sie ist zwar gequält, aber nicht sexuell missbraucht worden. Ein Scheißkerl wie der ändert seine Vorgehensweise nicht. Das wäre für mich etwas ganz Neues.«
»Du wirst schon Recht haben.«
Hellmer startete den Motor. Die ersten Sonnenstrahlen seit Freitag bahnten sich einen Weg durch die immer dünner werdende Wolkendecke. Die Straßen waren noch regennass, es war kalt. Seit einer Woche schon erreichten die Temperaturen kaum noch zehn Grad, und obgleich der Sommer lang und heiß und bisweilen unerträglich gewesen war, wünschte sich Julia Durant dielangen, warmen Tage zurück. Sie brauchten fast eine halbe Stunde, bis sie am Grüneburgpark angekommen waren. Sie fuhren auf den Parkplatz, der sich rechts von der Siesmayerstraße befand. Sie stiegen aus, die Sonne hatte die Luft ein klein wenig erwärmt.
»Und wo?«, fragte die Kommissarin.
»Gleich hier vorne.«
»Sag mal, müsste hier nicht ein Pfosten stehen? Ich meine, sonst könnte ja jeder mit seinem Wagen in den Park fahren.«
»Stimmt schon. Ich lass mal bei der Stadt nachfragen. Vielleicht hat der Täter den Pfosten ja einfach entfernt? Vielleicht sogar schon am Samstag?«
»Warten wir erst mal ab, was das Gartenamt dazu sagt.«
Sie liefen etwa fünfzig Meter, bis sie vor dem Gebüsch standen, unter dem Erika Müller gefunden worden war. Durant warf einen Blick zurück zum Parkplatz und stellte fest, dass es durchaus möglich gewesen wäre, im Dunkeln mit einem Auto bis hierher zu fahren, ohne bemerkt zu werden.
»Er hat sie direkt hier ausgeladen. Aber wie es ausschaut, hat ihn keiner dabei gesehen. Oder aber, es hat ihm keiner Beachtung geschenkt.«
»Wer tut das heutzutage schon noch?«, fragte Hellmer sarkastisch. »Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen. Anonymität ist eben alles. Nur nicht auffallen. Und wen interessiert es schon, was da einer aus seinem Auto auslädt?«
»Die nächsten Häuser sind aber auch ein ganzes Stück entfernt«, sagte Julia Durant. »Man müsste schon ein Fernglas benutzen, um zu erkennen, was da ausgeladen wird. Und außerdem war es immerhin bereits Viertel vor zwei, und da schlafen die meisten Menschen. Und wenn der Hund nicht gewesen wäre …«
»…würde sie vielleicht heute noch hier liegen.«
»Kannst du irgendwelche Reifenspuren erkennen?«, fragte die Kommissarin.
»Es hat viel zu stark geregnet, da können wir nichts mehr machen.«
»Ist dir vorhin an den Bildern etwas aufgefallen?«, fragte sie, während sie sich bückte und den Fundort mit den Augen absuchte, ob nicht vielleicht ein Detail übersehen worden war.
»Was meinst du?«
»Na ja, die Lage. Etwas merkwürdig, findest du nicht? Der Täter hat sie nicht einfach nur auf den Boden geworfen, er hat sie in einer bestimmten Stellung hingelegt. Es wirkt auf den Fotos sogar ein bisschen so, als hätte er sie aufgebahrt. Wie damals. Die Nadel und die Stellung haben etwas zu bedeuten. Nur was?«
»Warten wir’s ab.«
»Was?«
»Ach nichts. Vergiss es. Komm, wir fahren zurück ins Präsidium. Und dann rufen wir bei dieser Schwab und der Sperling an. Auch wenn ich mir von denen nicht viel erhoffe.«
»Frank, hier stinkt was gewaltig. Sag mal, gibt es eigentlich im Augenblick noch mehr Vermisstenmeldungen? Ich meine Frauen?«
»Keine Ahnung, aber auch das können wir auf dem Präsidium rauskriegen.«
»Dann mal los.«
Montag, 11.45 Uhr
Berger hielt einen Becher Kaffee in der Hand, während er telefonierte. Er winkte Durant und Hellmer zu sich, deutete auf die vor dem Schreibtisch stehenden Stühle. Nachdem sie sich gesetzt hatten, legte Berger den Hörer auf. Er nahm einen Schluck von dem noch heißen Kaffee und stellte den Becher auf den Tisch.
»Das war Bock. Er schickt den Bericht gleich durch den Computer. Lesen Sie ihn selber.«
»Gibt es eigentlich noch mehr vermisste Frauen? Ich meine aktuelle Fälle?«, fragte Julia Durant, ohne auf die letzte Bemerkung von Berger einzugehen.
»Warum wollen Sie das wissen?«
»Gibt es welche oder nicht?«
»Augenblick, ich frag mal bei den Kollegen nach.«
Das Telefonat dauerte zwei Minuten, während deren
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