Der Jäger
anderen gewesen sein. Haben diese andern beiden Frauen irgendetwas mit dem Mord an Judith zu tun?«
»In gewisser Weise schon – sie sind ebenfalls tot.«
»Heißt das, Judith wurde Opfer eines Serienmörders?«, fragte van Dyck mit großen Augen. Er stellte fast die gleiche Frage wie vor ihm schon Kleiber.
»Ja.«
»Heißt das etwa auch, es könnte sich um jemanden handeln, den ich kenne?« Er beugte sich nach vorn, schüttelte den Kopf, murmelte etwas Unverständliches.
»Wir können es nicht ausschließen. Nur gibt es bis jetzt keine Hinweise auf den Täter …«
»Sie haben noch keine Spur?«
»Sagen wir es so, wir arbeiten daran. Sollte Ihnen noch etwas einfallen, was uns weiterhelfen könnte, dann rufen Sie uns bitte an. Hier ist meine Karte.«
»Ich hoffe, Sie finden diesen verfluchten Bastard. Und sollte ich ihn vor Ihnen in die Finger kriegen, dann gnade ihm Gott! Glauben Sie mir, ich bringe ihn um, und zwar ganz, ganz langsam und genüsslich. Am besten ziehe ich ihn breitbeinig über einen Stacheldrahtzaun.«
»Wir finden ihn, verlassen Sie sich drauf. Und nochmals vielen Dank für Ihre Offenheit. Auf Wiedersehen, Herr van Dyck.«
»Ich begleite Sie nach unten. Als Sie mich vorhin angerufen haben, hätte ich wirklich mit allem gerechnet, nur nicht damit. Aber so wenig, wie man bestimmt, wann man geboren wird, so wenig hat man Einfluss auf den Tod.«
Sie begaben sich nach unten. Eine junge Frau kam ihnen entgegen. »Hallo, Paps«, sagte sie und kam lächelnd auf ihn zu. Mit einem Mal verharrte sie, sah die Beamten an und überlegte. »Sind wir uns heute nicht schon mal begegnet?«, fragte sie.
»Ja, heute Mittag vor dem Haus von Professor Richter«, antwortete Durant.
»Und was machen Sie
hier
?«, fragte sie neugierig.
»Wir haben uns nur ein wenig mit Ihrem Vater unterhalten. Einen schönen Tag noch.«
Frau van Dyck stand in der Tür und sah ihnen stumm hinterher. Nachdem die Kommissare weg waren, drehte sie sich um und ging auf ihren Mann zu.
»Was wollten sie von dir?«
»Sie hatten nur ein paar Fragen«, antwortete er, ohne sie dabei anzusehen. »Es wird dich bestimmt nicht interessieren.«
»Woher willst du das wissen?«
»Ich weiß es einfach. Und jetzt entschuldige mich bitte, ich habe zu tun.« Er wandte sich von seiner Frau ab und sah seine Tochter an. »Kommst du mit nach oben, Maria? Ich würde mich gerne kurz mit dir unterhalten.«
»Ich habe aber nicht viel Zeit. Ich will noch ins Main-Taunus-Zentrum.«
Claudia van Dyck blickte ihnen nach, als sie die Treppe hinaufstiegen. Sie presste die Lippen zusammen, ging ins Wohnzimmer und schenkte sich ein Glas Wasser ein. Dann nahm sie zwei Tabletten aus ihrer Handtasche, steckte sie in den Mund und spülte sie mit dem Wasser hinunter. Kurz darauf zog sie sich um, legte etwas Make-up auf und verließ das Haus mit einer großen Tasche. Sie hatte eine Verabredung, und es würde eine lange Nacht werden.
Dienstag, 18.10 Uhr
Nachdem das Tor sich hinter ihnen geschlossen hatte, atmete Hellmer tief durch, schüttelte ungläubig den Kopf und sah Julia Durant an. Er sperrte die Wagentür auf, sie stiegen ein. Er starteteden Motor, und dann sagte er: »Irgendwie habe ich das Gefühl, im falschen Film zu sein. Diese Kassner scheint ja wirklich was ganz Besonderes gewesen zu sein. Wir haben bis jetzt mit zwei Männern über sie gesprochen, und beide reden von ihr, als wäre sie tatsächlich Hure und Heilige in einer Person gewesen. War sie vielleicht so was wie die Mutter Teresa für sexuell Minderbemittelte?«
»Schon möglich. Aber sie muss etwas an sich gehabt haben, das anderen Frauen fehlt. Nur zu schade, dass wir sie nicht gekannt haben, oder besser, dass du sie nicht gekannt hast«, fügte sie grinsend hinzu und warf einen Blick auf die Uhr. »Frank, sei mir nicht böse, aber das mit heute Abend sollten wir lieber sein lassen. Ich hab noch so wahnsinnig viel zu tun, ich hätte heute einfach keine Ruhe. Versteh mich nicht falsch, lass es uns einfach auf ein andermal verschieben. Wir müssen noch ins Präsidium, und ich will mir unbedingt das Tagebuch der Albertz anschauen und sehen, ob sie irgendwas notiert hat, aus dem hervorgeht, dass sie bei den van Dycks oder einem von den anderen gewesen ist. Ich schätze, vor Mitternacht komme ich aus dem Büro nicht raus. Wir haben eine Verbindung, wenn auch nur eine sehr vage, aber diese Partys oder Empfänge gehen mir nicht aus dem Kopf. Für eine Frau scheint es offensichtlich nicht
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