Der Jäger
allzu schwer zu sein, dort reinzukommen. Was, wenn die Albertz tatsächlich einmal auf so was war? Oder vielleicht sogar die Müller? Wir sollten diese Möglichkeit zumindest in Betracht ziehen.«
»Aber die Müller und die Albertz haben nicht gerade zur High Society gehört.«
»Na und? Du glaubst doch nicht im Ernst, dass nur Damen und Herren mit mindestens einer Million auf dem Konto bei diesen Empfängen anwesend sind, oder?«
»Nein, das nicht, aber alles, was wir bis jetzt über die beiden wissen, ist, dass sie eher zurückgezogen gelebt haben. Vor allem die Albertz. Es würde überhaupt nicht zu ihr passen, eine Party zubesuchen, wenn sie nicht einmal im Büro oder im Fitnesscenter Kontakte schließt. Und die Müller hatte ihre Al-Anon-Gruppe.«
»Aber van Dyck hat doch eben gesagt, dass ihm das Gesicht der Albertz irgendwie bekannt vorkommt! Sorry, wenn ich dir widersprechen muss, doch erklär mir mal bitte, wieso die beiden sich teure Dessous zugelegt haben, um sich heimlich mit jemandem zu treffen. Also muss es doch einen Weg der Kontaktaufnahme gegeben haben. Oder liege ich da völlig falsch?«
»Nein«, stöhnte Hellmer und verdrehte genervt die Augen.
»Trotzdem passt es nicht …«
»Doch! Wo hätten sie jemanden kennen lernen und gleichzeitig einigermaßen anonym bleiben können? Auf einer Party oder einem Empfang oder Fest, wo sich hundert und mehr Leute aufhalten! Da kennt nicht unbedingt jeder jeden. Und vor allem spricht da nicht jeder mit jedem. Ich hab so was schon mitgemacht, da bilden sich lauter kleine Grüppchen, und manch einer steht einfach nur rum. Irgendeiner bringt eine Bekannte mit, eine Freundin einen Freund oder ein Freund eine Freundin, wie auch immer. Und dann macht das Ganze auf einmal Sinn. Ich sag dir, Kleiber, van Dyck, Lewell und Maibaum sind eventuell ein wichtiger Schritt zur Lösung der Fälle.«
»Willst du damit ausdrücken, dass einer von denen mit den Morden etwas zu tun haben könnte?«
»Quatsch, so weit sind wir noch nicht. Außerdem verbinde ich mit dem Namen Lewell noch überhaupt nichts. Aber wir werden uns mit ihm unterhalten. So, und jetzt ruf bitte Nadine an und sag ihr, dass du später kommst und ich überhaupt nicht. Sie soll nicht böse sein, und grüß sie ganz lieb von mir. Okay?«
»Schon gut. Ich wollte Nadine sowieso Bescheid geben, dass es später wird. Vor halb neun, neun bin ich sowieso nicht zu Hause.«
Sie fuhren auf die Theodor-Heuss-Allee, Hellmer rief seine Frau an. Sie klang etwas enttäuscht, weil sie schon alles für den Abendvorbereitet hatte. Hellmer besänftigte sie mit ein paar netten Worten. Julia Durant bekam von dem Gespräch fast nichts mit, denn sie schaute aus dem Seitenfenster und hing ihren eigenen Gedanken nach. Um kurz nach halb sieben kamen sie im Präsidium an. Es war wieder kühl geworden, der Himmel färbte sich in ein immer dunkler werdendes Blau, das bald in tiefes Schwarz übergehen würde. Am Sonntag war Vollmond gewesen, der jetzt abnehmende Mond ging gerade auf.
Dienstag, 18.40 Uhr
Polizeipräsidium. Lagebesprechung.
Ein Großteil der Männer, deren Namen in Judith Kassners Telefonverzeichnis gefunden worden waren, war überprüft worden, bis auf jene, die sich zum Zeitpunkt der Tat entweder auf Geschäftsreise oder in Urlaub befunden hatten. Keiner von ihnen kam nach den ersten Erkenntnissen der Ermittler als Täter in Frage, da alle für die jeweiligen Tatzeiten ein Alibi vorweisen konnten. Noch standen etwa dreißig Namen auf der Liste, doch Julia Durant glaubte nicht, den Mörder unter den Freiern zu finden. Hinzu kam, dass bis jetzt mehr als fünfzig der Befragten ausgesagt hatten, mit Judith Kassner seit einem Jahr oder sogar länger keinerlei Kontakt mehr gehabt zu haben. Lediglich zwölf gaben an, sich innerhalb der beiden vergangenen Monate entweder bei ihr oder in einem Hotelzimmer getroffen zu haben. Von diesen zwölf sagten drei aus, zuletzt vor zwei beziehungsweise drei Wochen mit ihr zusammen gewesen zu sein. Aber auch diese Männer schieden als Täter aus, da jeder von ihnen ein absolut wasserdichtes und auch überprüftes Alibi für die Tatzeit vorweisen konnte. Einer war das ganze Wochenende mit seiner Familie bei einer großen Familienfeier, einer lag seit mehreren Tagen mit einer Grippe im Bett, und einer hatte in der Nacht von Sonntagauf Montag eine schwere Gallenkolik, weshalb der Notarzt gerufen werden musste.
Julia Durant berichtete von ihren Besuchen bei Kleiber und van Dyck
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