Der Jäger
geht um eine gewisse Judith Kassner.«
Van Dyck verengte die Augen, zog am Zigarillo. »Und?«
»Sie kennen sie, nehme ich an«, sagte Durant.
Van Dyck nickte. »Ja, ich kenne sie. Wollen Sie ihre Adresse haben?«
»Wir haben ihre Adresse. Wir möchten wissen, wie gut Sie Frau Kassner kennen.«
»Was soll diese Fragerei? Können Sie nicht auf den Punkt kommen?«, entgegnete er schroff. »Ich bin es nicht gewohnt, um den heißen Brei herumzureden. Also, was ist mit ihr beziehungsweise was wollen Sie von mir?«
»Frau Kassner ist tot.« Sie sagte es kurz und knapp und wartete die nächste Reaktion von van Dyck ab. Es schien, als hörte er auf zu atmen. Er schloss die Augen, lehnte sich zurück, schlug die Beine übereinander.
»Judith ist tot? Seit wann?«, stammelte er fassungslos.
»Seit«, Julia Durant sah auf die Uhr, rechnete kurz nach, »etwa sechsunddreißig, siebenunddreißig Stunden.«
»Mein Gott, ausgerechnet sie. Unfassbar.«
»Wann haben Sie Frau Kassner zuletzt gesehen?«
»Am Sonntag. Am Samstag hatte sie Geburtstag, und ich habe ihr nachträglich gratuliert. Wir waren essen und danach bei ihr …« Er drückte den Zigarillo aus und zündete sich gleich darauf einen neuen an. »Was genau ist passiert?«
»Sie wurde in ihrer Wohnung umgebracht.«
»Und woher wissen Sie, dass ich, ich meine …?«
»Aus ihrem Telefonverzeichnis. Dort stehen sämtliche Kunden drin. Auch Sie, wie Sie sehen. Wie lange waren sie am Sonntag bei ihr?«
»Von zehn bis gegen eins war ich im Studio, weil ich mit meinem Regisseur einige Passagen unseres neuen Films besprechen musste. Gleich danach bin ich in das Restaurant gefahren, in dem wir uns verabredet hatten, und hinterher zu ihr. Etwa um halb sieben war ich wieder zu Hause. Sie können meine Frau fragen oder meine Tochter, sie werden es bestätigen.«
»Haben Sie mit Frau Kassner …?«
»Tun Sie mir einen Gefallen, sagen Sie nicht Frau Kassner, sondern Judith. Sie war Judith und wird es immer bleiben.«
»Wie Sie wünschen. Haben Sie mit Judith am Sonntag sexuell verkehrt?«
Ein kaum merkliches Lächeln zeichnete sich auf seinen Lippen ab, er nickte. »Ja, wir haben miteinander geschlafen.«
»Hatten Sie ungeschützten Geschlechtsverkehr?«
Van Dyck nickte wieder. »Ja. Ich war, soweit ich weiß, der Einzige, der mit ihr ungeschützt verkehren durfte. Zumindest hat sie mir das gesagt. Und ich hatte keinen Grund, daran zu zweifeln«, sagte er nicht ohne Stolz.
»Und hat Judith irgendetwas davon erwähnt, dass sie später noch Besuch erwartete?«
»Nein. Sie hat gesagt, sie würde auch gleich in ihre andere Wohnung fahren. Sie wollte nur noch ein wenig aufräumen, jemanden anrufen und … Ja, das war’s. Sie wollte eigentlich früh zu Bett gehen, weil sie am Montag eine wichtige Klausur schreiben sollte. Mehr kann ich Ihnen nicht sagen.«
»Seit wann kannten Sie Frau … ich meine Judith?«
»Seit gut anderthalb Jahren.«
»Und wie haben Sie sie kennen gelernt?«
»Es war auf einem Empfang bei einem Freund des Hauses. Sie hatte etwas, das mich unwillkürlich angezogen hat. Nun, ab da haben wir uns so zwei- oder dreimal im Monat gesehen.«
»Darf ich den Namen Ihres Freundes erfahren?«
»Natürlich. Konrad Lewell. Er ist so etwas wie ein Lebensberater«, antwortete er vielsagend lächelnd.
»Wir haben schon von ihm gehört. Könnten Sie uns vielleicht seine Adresse und Telefonnummer geben?«
»Moment, ich schreib sie ihnen auf.«
Julia Durant warf einen Blick auf den Zettel und murmelte: »Er wohnt in Kronberg, das ist ja quasi um die Ecke … Sagen Sie, kennen Sie auch einen Professor Richter?«
Van Dyck lachte auf. »Natürlich kenne ich den. Wir sind fast so etwas wie gute Freunde. Lewell, Richter und so einige mehr zählen zu meinem engeren Bekanntenkreis, wobei ich Lewell eigentlich nicht sonderlich leiden kann.«
»Was heißt einige mehr? Wer noch?«
»Ist das wichtig?«
»Im Augenblick ist jede auch noch so kleine Information wichtig.«
»Na gut, ich glaube nicht, dass ich damit irgendein intimes Geheimnis preisgebe, aber in meiner Branche hat man zwangsläufig mit vielen bekannten und zum Teil noch unbekannten Personen zu tun. Wissen Sie, diese Empfänge oder Partys gehören zum Geschäft. Und es sieht für Außenstehende immer so aus, als wäre es ein lautes Durcheinander, aber eigentlich dienen diese Zusammenkünfte eher einem Kennenlernen und Gedankenaustausch. Max Kleiber, der Name sagt Ihnen vielleicht etwas, und seine Frau
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