Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser
zu Gunsten seiner Tochter Recht zu schaffen.«
»Die Tochter kann nur mit Zustimmung des Lehnsherrn in die Erbfolge eintreten.«
»Das ist das zweite Problem. Das erste ist, den richtigen Umfang des Erbes wiederherzustellen.« »Das erste Problem ist auch weitaus größer«, sagte Philipp. »Wenn Radolf keine Verbündeten hat, wird er schwerlich sechs Standesgenossen finden, die seinen Besitzanspruch mit einem Schwur bekräftigen. Und wenn die Frau nicht mehr am Leben ist, dann existiert auch kein Zeuge mehr, der zugunsten Herrn Radolfs aussagt.«
Der Kardinal nickte schwer und warf Philipps Herrn einen Blick zu, der eine gewisse Achtung ausdrückte; oder war es Genugtuung? Philipp, sonst für ausgesprochenes und auch unausgesprochenes Lob empfänglich, hatte plötzlich das entwürdigende Gefühl, ein Kunststück vollbracht zu haben, das man von ihm erwartete. Er biß sich auf dieZunge, um nicht eine unpassende Bemerkung zu machen. »Die Aussage eines Weibes hätte natürlich kaum irgendeine Bedeutung«, sagte der Kardinal, »zumindest nicht in rechtlicher Hinsicht. Da sie jedoch gegen die Interessen ihrer eigenen Familie gerichtet gewesen wäre, hätte sie den Ansprüchen Radolfs zumindest mehr Gewicht verliehen.«
»Und nun ...«, sagte Philipp.
»Und nun ...«, sagte der Kardinal.
»... wird es sehr schwer sein, ohne schriftliche Beweise der Mitgift die Behauptungen des Herrn Radolf zu stützen«, vollendete Philipp zwischen den Zähnen. Giovanni da Uzzano hob beide Augenbrauen und lächelte zufrieden. Er wartete darauf, daß Philipp aussprach, was er ihm schon in den Mund gelegt hatte.
»In diesem Fall«, seufzte Philipp und erlaubte sich ein humorloses Grinsen, »wäre es geraten, wenn sich doch wundersamerweise Schriftstücke zu Gunsten Radolfs finden würden.«
»Meinst du, es wäre dir möglich, ein solches Wunder zu erbringen und entsprechende Schriftstücke zu ... finden ?« fragte der Kardinal.
»Wenn man mir genügend Zeit für die Suche läßt...«, erwiderte Philipp gedehnt.
»Ich sehe, du hast verstanden«, sagte der Kardinal. »Du wirst Zeit bekommen; nicht allzuviel, denn Radolf ist ungeduldig, aber ich bin überzeugt, du wirst damit zurechtkommen. Die Dokumente müssen nur auf den ersten Augenschein überzeugen, da ich davon ausgehe, daß die Dokumente der Gegenpartei auch nur auf den ersten Blick überzeugend wirken und sie es kaum auf eine eingehende Prüfung ankommen lassen werden. Wenn doch, kann ich deine Schriftstücke mit einigen Gutachten stützen, die von ehrlichen Mönchen verfaßt werden. Deine Arbeit sollte allerdings so gut sein, daß sie damit echt wirkt, denn weitere Unterstützung kann ich nicht bieten. Ich will nicht, daß ich selbst mit dieser Geschichte in Verbindung gebracht werde. Wenn du also schlampige Arbeit lieferst, die nicht standhält, wird die Strafe in erster Linie dich und Radolf treffen.«
»Ich glaube, Ihr braucht meinen Truchseß nicht zu ängstigen«, sagte Raimund und schien zum erstenmal unwillig. Der Kardinal beugte den Kopf und lächelte friedlich.
»Natürlich nicht«, erklärte er.
»Ich habe Euch voll und ganz verstanden, Exzellenz«, sagte Philipp.
»Dann kann ich mich auf dich verlassen?«
»Selbstverständlich, Exzellenz.«
Giovanni da Uzzano wandte sich an Philipps Herrn und strahlte.
»Euer Truchseß ist ein verständiger Bursche; wie schön, daß der Herr auch einem Mann aus dem Volk ein funktionierendes Gehirn gegeben hat. Ich habe weiß Gott dümmere Männer gesehen, die ihrem Namen einen Titel voransetzen konnten. Jener da würde auch dem Sohn eines Ritters alle Ehre machen.«
Philipp schwieg zu der Lobrede des Kardinals. Er schwieg auch zu der Erklärung, die er aufgetischt hatte; er glaubte sie nicht. Er glaubte vielmehr, daß Giovanni da Uzzano aus Gründen, die er nicht nennen wollte, dem verarmten Herrn Radolf Vacillarius einen Gefallen tun wollte und diesen dürftig zu tarnen versuchte. Was kann einen Mann wie den Kardinal dazu bringen, jemandem zu Hilfe zu eilen? Eine nicht unerhebliche Bestechungssumme , dachte Philipp; vielleicht hat Radolf sich bereiterklärt, ein Testament zu verfassen, das seine Ausbeutungsrechte an den Erzvorkommen der Kirche überschreibt. Wenn es sich lohnt, darum zu streiten, lohnt es sicherlich auch als Mittel einer Bestechung, die einem alten Pilgerfahrer ein angenehmes Alter ermöglicht – und zum Teufel mit der einzigen Tochter, oder besser: ins Kloster mit ihr.
»Das Beste wird sein, du
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