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Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser

Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser

Titel: Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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sich in dem kleinen festen Haus versteckte, das ich damals besaß. Sie war verzweifelt, als wir den Entschluß faßten, dich im Kloster abzugeben; aber sie war bereits Gottfried versprochen, und wir wußten nicht, was wir tun sollten. Daß sie nicht mehr jungfräulich in die Ehe ging, hätte sich vertuschen lassen; ein Kind an ihrem Busen dagegen nicht.«
    »Mein Vater dagegen«, fuhr Philipp unbeeindruckt fort, »wartete erst ab, bis seine erste Familie gestorben war, bevor er sich an seinen Bastard erinnerte und ihn aus dem Kloster holte, damit er für ihn die Drecksarbeit erledigen konnte.«
    Raimund versuchte etwas zu sagen, aber Philipp schnitt ihm das Wort ab.
    »Warum habe ich es nie erfahren?« rief er. »Warum?«
    »Ich weiß nicht. Ich wollte es dir sagen, als ich dich aus dem Kloster holte, aber dann beschloß ich, noch ein wenig zu warten, und ich wartete ... und irgendwie war es immer nicht der richtige Zeitpunkt ... Bis dieses ... Geheimnis zwischen uns so groß geworden war, daß ich es nicht mehr beiseite räumen konnte, und ich wußte nicht mehr, wie ich dir beibringen sollte, warum ich so lange geschwiegen hatte. Ich wollte dich nicht verlieren.«
    »Ihr habt Euch Katharina wegnehmen lassen, Ihr habt Eure Familie verloren, Ihr habt Euren Freund, den Kardinal, verloren, und Eurem Sohn konntet Ihr nicht einmal sagen, wer er ist. Darüber habt Ihr den höhlen Panzer eines unabhängigen und reichen Mannes aufgebaut. Ihr hättet besser zum Kaiser als zu Giovanni gepaßt: Ihr habt Euch Eure Geschichte auch selbst erlogen.«
    Raimund schwieg so lange, daß Philipp schließlich aufsah. Er hätte nicht erwartet, Raimund mit seinen Worten zu treffen; er hatte nicht einmal über sie nachgedacht. Als er die Tränen sah, die lautlos über Raimunds Gesicht liefen, drang es unerwartet durch den kalten Sarkasmus, in den er sich geflüchtet hatte. Raimund machte keine Anstalten, den Umstand zu verstecken, daß er weinte.
    »Was immer ich sagen kann, wirst du mir nicht glauben«, flüsterte er.
    Philipp schluckte. »Fangen wir mit etwas an, was nicht zwischen Euch und mir steht.« Er wies auf Aude. »Glaubt Ihr, daß sie wieder gesund wird?«
    Raimund ließ sich mit seiner Antwort Zeit. Er wischte sich mit einer schmutzigen Hand über die Wangen und hinterließ Streifen in seinem Gesicht.
    »Ich weiß es nicht«, sagte er endlich. »Sie ist stark; das hat sie zur Genüge bewiesen. Wenn die Kerle etwas in ihr zerbrochen haben, werden ihre Kraft und die Zeit es wieder heilen. Vielleicht wird sie deine Hilfe dazu brauchen.«
    »Was ist mit dem Kardinal? Wird er uns weiter verfolgen?«
    »Ich denke, nein. Sein Plan ist aufgegangen. Bald wird ihm klar sein, daß weder du noch ich, noch sonst jemand mehr etwas daran ändern können, und wenn wir beim Kaiser selbst vorstellig würden. Die Würfel sind gefallen. Wir sind nur kleine Steine, die in einen großen Teich gefallen sind und dort nicht einmal genug Wellen geschlagen haben, um die Oberfläche aufzuwühlen.«
    »Wenn ich Radolf an dem Abend verlassen hätte, an dem er mich zum erstenmal hinauswarf, wäre alles ganz anders gekommen. Aber ich dachte, ich müsse bleiben. Dionisias wegen.« Seine Augen weiteten sich. »Meiner ... Halbschwester! Sie ist meine Halbschwester; wir haben die gleiche Mutter. Mein Gott, und ich hätte sie fast ... Deshalb fühlte ich mich am Anfang so zu ihr hingezogen. Ich habe alles falsch verstanden und noch viel mehr falsch gemacht.«
    »Du konntest nur das tun, was du für richtig hieltest. Es muß ein höherer Richter als ein Mensch kommen, um zu entscheiden, was davon richtig und was falsch war.«
    »Habt Ihr das auch als Ausrede genommen, als Ihr mich vor die Klosterpforte gelegt habt?«
    »Nein«, sagte Raimund und wandte den Blick ab. »Damals hatte ich das dringende Gefühl, daß es falsch war, was ich tat. Vielleicht ist das der einzige Fingerzeig, dem man wirklich folgen sollte: seinem eigenen Bewußtsein von falsch und richtig.«
    Philipp lachte freudlos.
    »Das ist die Philosophie von Pierre Abaelard. Ich kann mich erinnern, daß Aude einmal etwas Ähnliches zu mir gesagt hat.«
    »Wir hatten keine andere Wahl damals«, sagte Raimund.
    »Was habt Ihr dabei gedacht?«
    »Ich dachte nichts. Ich wußte nur etwas: ich würde die Frau verlieren, die ich liebte, und ich verlor meinen Sohn. Ich wollte sterben. So pathetisch es auch klingt, es ist wahr. Ich stürzte mich in jedes Turnier, in jeden Händel, in jede kleine Fehde. Gott hielt

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