Der Jakobsweg - El camino.
fragte ich, ob ich ihr helfen könne und sie verneinte. In Cirauqui war ich dann nach etwa 30 bis 33 Kilometer doch schon etwas fertig und suchte mir eine Herberge. Die Herberge war schön, gegenüber der Kirche gelegen und hatte eine schöne Einbuchtung, eine Art Balkon, der in das Haus integriert war. Von dort hatte man einen perfekten Blick auf den Kirchturm und sogar auf den Alto del Perdón, der etwa 20 Kilometer entfernt lag. Hier machte ich eine unvergessliche Bekanntschaft: Sepp Binder.
Als ich gerade meine Wäsche zum Trocknen aufgehängt hatte, kam ein älterer Mann auf den – nennen wir ihn mal Balkon – und hing ebenfalls seine Wäsche auf. Da er nur Klamotten der Marke „Schöffel“ trug, fragte ich ihn, ob er Deutscher sei. Er bejahte und fragte seinerseits, wie ich das herausgefunden hätte. Ich antwortete, dass eher Deutsche diese Marke kaufen. Er lächelte und sagte, dass seine Frau ihm seine Klamotten einkaufe und er sie nur trage. Danach stellte er sich vor. Der Mann hieß Sepp Binder aus Königswinter, war 72 Jahre alt, früher Leistungssportler und Journalist bei der Zeitung „Die Zeit“ und persönlicher Assistent des ehemaligen deutschen Justizministers Vogel. Und nun die Geschichte, die uns beide verband: natürlich unterhielten wir uns, wo wir gestartet seien und er berichtete, dass er aus dem Casa Paderborn in Pamplona losgelaufen sei an diesem Morgen. Heute Morgen sei er auf seiner Matratze aufgewacht, aufgestanden und habe den acht Frauen auf der Stube gesagt, dass für ihn ein Traum in Erfüllung gegangen sei, denn er habe noch nie so vielen Frauen eine Nacht lang zu Füßen gelegen. Die Moral von der Geschichte war, dass es sich um die Matratze handelte, die eigentlich mein Quartier für die Nacht darstellen sollte. Umso glücklicher war ich, dass Sepp nicht noch bis nach Cizur Menor laufen musste und er diese Matratze bekommen hatte. Wir saßen draußen vor der Herberge bzw. vor der Kirche und redeten, was wir so vorhätten bzw. schon erlebt haben. Ich animierte Sepp auch dazu, jeden Tag mindestens eine Dose Cola zu trinken, um den Zuckerhaushalt aufzufüllen, was er dann auch sofort tat und bis zum Ende des Caminos beibehielt. Ebenso erzählte er mir, dass er seiner Frau am Telefon gesagt hatte, dass er nur in Hotels nächtigen würde. Nach unserer Nacht in der Herberge sagte er, dass er nicht mehr in Hotels nächtigen wolle.
Am Abend spielte ich mit Johannes Whiteman, einem Finanzinvestor aus Pretoria/Südafrika Schach und Killerchess. Er gewann alle Spiele. Er erzählte, dass er mit seiner Tante wandere, sie aber sehr langsam laufe, so dass er sich jetzt nur noch auf das Fotografieren konzentriere. Denn dafür habe er bei ihrem Schritt genügend Zeit. Wir waren die Letzten, die schlafen gingen.
Gott verschonte mich übrigens heute von Regen. Gestern regnete es als Warnung, weshalb ich auch nicht bis nach Lorca lief. Ich denke, Gott schien froh darüber zu sein, dass es alles so kam und ich danke ihm sehr. Allein schon für die Begegnung mit Sepp.
Erkenntnis des Tages: Wer rastet, der rostet! Aber auf seinen Körper muss man trotzdem hören!
5. September 2011 – Los Arcos
Der lauteste Schnarcher der Nacht stand heute auch als Erster um 5:30 Uhr auf und weckte damit alle Anderen im Raum. So kam es, dass ich mich schon um 6:00 Uhr auf den Weg machte. Das Ziel des Tages stand bereits vorher fest: Los Arcos – 36 Kilometer entfernt. Da ich unterwegs starke Probleme mit der Achillesferse hatte, wechselte ich unterwegs das erste Mal auf dem Camino die Schuhe und die Schmerzen verschwanden. Von da an baumelten die schwarzen „Asics“ nur noch hinten am Rucksack und kamen vielleicht noch für insgesamt 5 Kilometer auf dem restlichen Camino zum Einsatz. Dafür trugen mich jetzt meine zwei Jahre alten „Asics“-Laufschuhe, die ich auch gerne in der Freizeit anzog.
Auf einmal tauchte Sepp hinter mir auf und zwar in einem sehr schnellen Schritt. Ab da liefen wir zusammen weiter. Unterwegs kamen wir an einer Weinquelle vorbei. Dabei handelt es sich um zwei Wasserhähne. Aus dem einen kommt Wasser, aus dem anderen Wein. Sie gehörten einer Wein-Bodega, die auch den Tank hinter dem Wasserhahn auffüllt. Sepp war ganz erstaunt, dass es so etwas gibt, obwohl er es vorher in seinem Reiseführer gelesen hatte. Er trank zwei geschöpfte Hände voll und war total begeistert. Ich genoss von der „Fuente de vino“ nur eine geschöpfte Hand. Sepp und ich kamen an riesigen
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