Der Janson-Befehl
nichts tun konnten. Sie wussten, dass sie sich nicht wehren durften, sich ihm und seinen Kameraden völlig hingeben mussten, andernfalls würde man sie zwingen, dabei zuzusehen, wie man ihre Eltern, ihre Männer, ihre Kinder mit Kopfschüssen erledigte, ehe sie selbst hingeschlachtet wurden.
Er stellte sein Zielfernrohr scharf und malte sich aus, wie die Rothaarige, an eine Matratze gefesselt, dalag, die Augen verdreht, ihre weiche Blässe seiner Begierde ausgeliefert.
Ratko brauchte kein Zielfernrohr, um zu sehen, wie der kleine Konvoi aus drei schwarzen Mercedes-Limousinen in gemessenem Tempo die Stadehouderskade herunterrollte, in die Leidsestraat einbog und dann an der Zentrale der Liberty Foundation anhielt. Ein uniformierter Fahrer der Stretchlimousine ging hinten um das Fahrzeug herum und öffnete die Tür. Ein Mann im dunklen Anzug mit einer Hornbrille und einer pelzgesäumten Mütze stieg aus, blieb einen Augenblick lang neben dem Wagen stehen und bewunderte das majestätische Bild, das der Südwestteil der Prinsengracht bildete. Dann drückte der Uniformierte - allem Anschein nach das persönliche Faktotum des Ministers - den Summer an der mit prunkvollen Schnitzereien verzierten Eingangstür. Zehn Sekunden später wurde die Tür geöffnet.
»Madame, der Außenminister der Tschechischen Republik, Jan Kubelik«, kündigte der Uniformierte der Frau an der Tür an. Von den beiden Parabolmikrofonen aufgefangen, klang die Stimme kratzig, aber hörbar.
Der Außenminister sagte ein paar Worte in tschechischer Sprache zu seinem Faktotum und bedeutete ihm dann mit einer Handbewegung, dass er gehen könne. Der uniformierte Mann drehte sich um und kehrte zu der Limousine zurück.
»Sie sehen beinahe aus, als ob Sie mich nicht erwartet hätten«, sagte der Mann in dem eleganten dunkelblauen Anzug zu der Empfangsdame.
Ihre Augen weiteten sich. »Aber ich bitte Sie, Minister Kubelik. Ihr Kommen ist uns eine Ehre.«
Ratko lächelte, erinnerte sich an den Anflug von Panik, der das Personal der Stiftung erfasst hatte, als vor einer halben Stunde der Anruf gekommen war und sie erfahren hatten, dass der kürzlich ernannte Außenminister seine Verabredung mit dem geschäftsführenden Direktor einhalten würde. Ein paar verblüffte Bürokraten wühlten in ihren Unterlagen, denn die Verabredung war nicht registriert worden, niemand wollte zugeben, einen Fehler gemacht zu haben, und doch musste jemand diese Todsünde begangen haben. Durch sein Schmidt & BenderTeleskop hatte Ratko gesehen, wie verwirrt die kleine Rothaarige gewesen war. »Erst vor zwei Wochen haben Sie dem schwedischen Außenminister und dem Mann vom
UN-Abrüstungsprogramm denselben Termin gegeben«, maßregelte die Rothaarige eine besonders schwerfällige Sekretärin im Obergeschoss. Die protestierte, dass das Ganze nicht ihre Schuld sei, aber das klang so unsicher, dass es praktisch auf ein Geständnis hinauslief. Eine andere Sekretärin kam ihr zu Hilfe und behauptete, der Fehler habe wahrscheinlich bei den tschechischen Bürokraten gelegen. Aber es wäre natürlich schlicht unmöglich und obendrein ein schwerer Verstoß gegen das Protokoll gewesen, ihnen das zu sagen.
Jetzt beobachtete Ratko die rothaarige Empfangsdame, wie sie den Minister in einen eleganten Vorraum führte, wo die Sicht undeutlich wurde und die Lauschmikrofone kaum mehr ansprachen. Der Serbe erhöhte die elektronische Lichtverstärkung seines Teleskops und schaltete das Mikrofon auf Signalverstärkung, um auf diese Weise den Input der Parabolmikrofone digital zu verbessern - wobei zugleich sinnloses Rauschen ausgefiltert wurde.
»Unser geschäftsführender Direktor wird gleich zu Ihnen kommen«, hörte er die Rothaarige sagen, als das Audiosignal wieder hergestellt war.
»Sehr liebenswürdig«, erwiderte der tschechische Diplomat und lüftete dabei höflich den Hut. »Ein wunderschöner Bau ist das. Macht es Ihnen etwas aus, wenn ich mich ein wenig umsehe?«
»Sir, das wäre uns eine Ehre«, erwiderte sie wie auswendig gelernt.
Ein alberner Bürokrat - er suchte wohl nach Dekorationstipps für seine Frau. Wenn er in den düsteren Präsidentenpalast in Prag zurückkehrte, würde er wahrscheinlich seinen Freunden von der luxuriösen Ausstattung von Peter Novaks Amsterdamer Domizil vorschwärmen.
Ratko hatte zusammen mit tschechischen Soldaten an Manövern des Warschauer Pakts teilgenommen; er war damals noch Soldat in der jugoslawischen Armee gewesen, lange bevor die sechs
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