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Der Janson-Befehl

Titel: Der Janson-Befehl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
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Straße behandelten das Taxi als einen weiteren Fundgegenstand. Bevor die Behörden das Fahrzeug bergen konnten, hatte man bereits die Radkappen, das Nummernschild und das Radio ausgebaut. Nur die Leiche im Kofferraum hatte niemand entfernt.

19
    Wenn man davon absah, dass das kleine Häuschen am Kanalufer, voorhuis, wie das in Amsterdam hieß, unmittelbar gegenüber der Zentrale der Liberty Foundation stand, gab es daran wenig Auffälliges. Ratko Pavic musterte die Einrichtung des Häuschens mit einem rein auf Zweckmäßigkeit ausgerichteten Blick. Ein unangenehmer Küchengeruch lag in der Luft - Erbsensuppe vielleicht? Der Geruch musste noch vom Abend vorher stammen, erfüllte aber das ganze Haus. Pavic rümpfte leicht angewidert die Nase. Künftig würde dergleichen hier nicht mehr gekocht werden. Er dachte an die beiden Leichen, die im Obergeschoss in der Badewanne lagen und deren Blut allmählich durch den Abfluss sickerte. Was er getan hatte, belastete ihn in keiner Weise: Das ältere Ehepaar, das das Haus bewachte, während seine Besitzer in Korfu weilten, war im Wege gewesen. Ohne Zweifel hatte es sich bei ihnen um loyale Angestellte gehandelt, aber sie hatten aus dem Weg geräumt werden müssen. Und es war für eine gute Sache geschehen: Ratko Pavic saß jetzt an dem kleinen quadratischen Fenster in dem abgedunkelten Raum und hatte von seinem Standort aus ausgezeichnete Sicht auf das palastartige Gebäude auf der anderen Straßenseite; zwei Parabolmikrofone übertrugen alle Gespräche in den Räumen im vorderen Bereich einigermaßen deutlich.
    Trotzdem war der Vormittag eher langweilig abgelaufen. Die Verwaltungsangestellten waren zwischen halb neun und halb zehn eingetroffen. Die Besucher, die Termine wahrnehmen wollten, erschienen planmäßig: Nach einem leitenden Beamten aus dem niederländischen Außenministerium kam der stellvertretende Minister für Erziehung, Wissenschaft und Kultur. Einem UN-Hochkommissar für das Flüchtlingswesen folgte der Direktor einer UNAbteilung und dann ein weiterer hochrangiger Bürokrat aus der UN-Wirtschaftskommission für Europa. Andere Mitglieder von Ratkos Team waren an Orten postiert, die ihnen die Beobachtung der übrigen Gebäudeteile ermöglichten. Einer von ihnen, Simic, hatte drei Stockwerke über ihm auf dem Dach des voorhuis Stellung bezogen. Doch keiner von ihnen hatte bisher Paul Janson entdeckt. Das war keineswegs überraschend. Eine Infiltration am Tage machte wenig Sinn, obwohl der Agent dafür bekannt war, das Unerwartete zu tun, einfach weil es unerwartet war.
    Das war langweilige Arbeit, die strengste Tarnung erforderte, aber für Ratko war sie hervorragend geeignet, seit er zum Gezeichneten geworden war. Die gezackte, glänzende Narbe, die von seinem rechten Auge bis ans Kinn verlief - wenn er sich erregte, glänzte sie blutrot -, machte sein Gesicht viel zu auffällig für Aufgaben, bei denen man sichtbar sein musste. Er war gezeichnet worden: Das war der Gedanke, der ihm in dem Augenblick durch den Kopf gezuckt war, als sein Widersacher mit einem Messer, mit dem man sonst Fische schuppte, nach ihm gestochen hatte. Die Erkenntnis, dass er künftig nie mehr verdeckt im Feldeinsatz würde arbeiten können, hatte ihm stärker zugesetzt als der brennende Schmerz, als sein Fleisch zerfetzte. Als Scharfschütze war er natürlich ebenso unsichtbar wie seine schallgedämpfte Vaime-Waffe, die jeden Augenblick, sei es Tag oder Nacht, einsatzbereit war. Während die Stunden verrannen, begann er sich die Frage zu stellen, ob jener Augenblick je kommen würde.
    Um sich zu amüsieren, richtete Ratko sein Zielfernrohr in regelmäßigen Abständen auf die zierliche Empfangsdame der Liberty Foundation, sah zu, wie die Schenkel der Rothaarigen sich bewegten, wenn sie sich nach vorn beugte, und spürte ein wärmendes Gefühl in seinen Lenden. Er war scharf auf sie, oh, und ob er das war! Er erinnerte sich an die bosnischen Frauen, mit denen er und seine Kameraden sich vor ein paar Jahren die Zeit vertrieben hatten - erinnerte sich an vom Hass verzerrte Gesichter, erinnerte sich, wie ähnlich dieser Ausdruck doch dem höchster sexueller Verzückung war. Es brauchte nur wenig Fantasie. Wenn er in sie eindrang, war für ihn der größte Nervenkitzel die Erkenntnis, wie völlig machtlos diese Frauen waren: eine Erfahrung, die keiner glich, die er je mit einer Frau gehabt hatte. Es war völlig gleichgültig, ob sein Atem faulig war oder sein Körper stank, weil sie einfach

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