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Der Janson-Befehl

Titel: Der Janson-Befehl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
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Doppelsinn in ihre Bemerkung hineinzulesen.
    Janson nahm gegenüber dem bleichgesichtigen Bürokraten Platz. Was sollte er mit ihm diskutieren? »Ich nehme an, Sie wissen, weshalb ich den Kontakt zu Ihnen gesucht habe«, begann er.
    »Nun, ich denke schon«, nickte Dr. Tilsen. »Die tschechische Regierung hat über die Jahre hinweg einige unserer Projekte nachhaltig unterstützt, andere weniger. Wir sind uns natürlich der Tatsache bewusst, dass unsere Zielsetzungen nicht immer exakt mit denen einer be-stimmten Regierung übereinstimmen können.«
    »Durchaus«, sagte Janson. »Durchaus. Aber ich frage mich, ob meine Amtsvorgänger vielleicht in ihrem Urteil manchmal vorschnell waren. Vielleicht wäre eine harmonischere Beziehung möglich.«
    »Das wäre eine höchst angenehme Perspektive«, sagte Dr. Tilsen.
    »Wenn Sie mit mir vielleicht eine tour d'horizon Ihrer Projekte in unserem Land machen könnten, würde ich Ihre Anliegen wesentlich wirksamer bei meinen Kollegen und Mitarbeitern vertreten können. Wirklich, ich bin in erster Linie hergekommen, um Ihnen zuzuhören.«
    »Dann will ich gerne näher auf diese Punkte eingehen«, sagte Dr. Tilsen und lächelte unverbindlich. Reden war sein Metier, und die nächste halbe Stunde gab er sich alle Mühe, eine Fülle von Initiativen, Programmen und Projekten darzustellen. Nach wenigen Minuten schien es Janson, als bildeten seine Worte einen verbalen Vorhang, gewoben aus der undurchsichtigen Nomenklatur und Formelsprache, wie sie professionelle Idealisten so lieben: Keine regierungsge stützten Organisationen ... die Institutionen der gezielten Demokratie mit neuem Leben versehen ... Förderung der Werte, Institutionen und Praktiken einer offenen demokratischen Gesellschaft ... Tilsens Darstellung war detailliert und weitschweifig, und Janson ertappte sich dabei, wie seine Augen anfingen glasig zu werden. Mit knappem, aufgesetztem Lächeln nickte er in regelmäßigen Abständen, aber seine Gedanken fingen an zu wandern. Gehörte Peter Novaks Frau zu den Verschwörern? Hatte sie etwa selbst den Tod ihres Mannes eingefädelt? Eigentlich fast unvorstellbar, und doch, was sonst konnte ihr Verhalten erklären? Und was hatte es mit diesem Dr. Tilsen auf sich? Er wirkte ernst, fantasielos und wohlmeinend und vielleicht eine Spur zu betulich. Konnte ein solcher Mann an einer gemeinen Verschwörung beteiligt sein, die es sich zum Ziel gesetzt hatte, einen der wichtigsten Exponenten des Fortschritts zu vernichten, den diese zerbrechliche Welt besaß? Er sah dem Mann beim Reden zu, beobachtete seine kleinen, von zu viel Kaffee oder Nikotin vergilbten, angefressenen Zähne und den selbstzufriedenen Blick, der seinen Monolog begleitete, seine Art, billigend zu nicken, wenn er selbst etwas hervorgehoben hatte. War dies das Gesicht des Bösen? Es war schwer, sich das vorzustellen.
    Es klopfte an der Tür. Die zierliche Rothaarige aus dem Erdgeschoss.
    »Es tut mir schrecklich Leid, Dr. Tilsen. Ein Anruf aus dem Büro des Ministerpräsidenten.«
    »Ah«, sagte Dr. Tilsen. »Ich darf Sie bitten, mich freundlicherweise zu entschuldigen.«
    »Aber selbstverständlich«, sagte Janson.
    Allein gelassen betrachtete er zunächst das relativ karge Mobiliar im Raum und ging dann ans Fenster, sah auf den Kanal hinunter, auf dem reger Verkehr herrschte.
    Es rann ihm kalt über den Rücken, als ob jemand mit einem Eisbrocken darüber gestreift hätte.
    Warum? Etwas in seinem Sichtfeld - wieder eine Anomalie, auf die er instinktiv reagierte, ehe er sie verstandesmäßig analysieren oder beschreiben konnte.
    Was?
    Du großer Gott! Hinter dem glockenförmigen Giebel des gegenüberliegenden Hauses war der Schatten eines Mannes zu sehen, der geduckt auf den Schieferplatten kauerte. Ein vertrauter Vorgang: Die Sonne verändert die Position, und Schatten tauchen auf, wo vorher keine Schatten gewesen waren, und verraten den versteckten Beobachter - oder Scharfschützen. Der glitzernde Reflex von der Linse eines Teleskops beantwortete die Frage nicht, ob er es mit dem einen oder dem anderen zu tun hatte.
    Jetzt suchten seine Augen die Dachgauben und Vorsprünge des Hauses nach weiteren Anomalien ab. Dort - jemand hatte ein kleines Stück eines großen Doppelfensters sauber gewischt, jemand, der besser durch das Glas sehen wollte.
    Und der Kranbalken vor ihm - auch daran war etwas eigenartig. Im nächsten Augenblick wurde ihm bewusst, was es war. Es war kein Kranbalken - der Lauf eines Gewehrs war an seine

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