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Der Janusmann

Der Janusmann

Titel: Der Janusmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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verblasster Lack, der seit der Auslieferung nicht mehr gewaschen worden war. Er kam genau auf mich zu.
    Mir blieb weniger als eine Sekunde, um mich zu entscheiden.
    Ich schlug meinen Mantel zurück und zog den Colt. Zielte sehr sorgfältig und schoss ein Mal auf den Kühlergrill des Toyota. Der große Revolver blitzte und knallte. Das riesige Geschoss Kaliber 44 zerschmetterte den Kühler. Ich schoss wieder – diesmal auf den linken Vorderreifen. Ließ ihn in einer spektakulären Detonation aus schwarzen Gummiteilen hochgehen. Meterlange Gummistreifen wirbelten durch die Luft. Der Pick-up geriet ins Schleudern und kam so zum Stehen, dass die Fahrerseite mir zugewandt war. Zehn Meter entfernt. Ich verschwand hinter meinem Wagen, knallte die Hecktüren zu, tauchte auf dem Gehsteig auf und schoss diesmal auf den linken Hinterreifen. Mit demselben Ergebnis. Überall flog Gummi herum. Der Pick-up krachte auf die linken Felgen herunter und blieb stark geneigt stehen. Der Fahrer stieß die Tür auf, sprang auf die Straße und richtete sich auf einem Knie auf. Er hielt seine MP in der falschen Hand, wechselte sie rasch in die andere. Ich wartete, bis ich ziemlich sicher war, dass er damit auf mich zielen würde. Dann benutzte ich die linke Hand, um meinen rechten Unterarm mit dem schweren Colt zu stabilisieren, und zielte sorgfältig auf die Körpermitte, wie ich’s vor langer Zeit gelernt hatte, und drückte ab. Der Brustkorb des Kerls schien in einer riesigen Blutwolke zu explodieren. Der magere Junge hockte schreckensbleich im Fahrerhaus. Starrte nur entsetzt nach vorn. Doch der zweite Kerl war aus dem Pick-up gesprungen und kam um die Motorhaube herum auf mich zugehastet. Seine MP schwenkte in meine Richtung. Ich wandte mich ihm zu, wartete einen Herzschlag lang und zielte auf seine Brust. Schoss. Mit demselben Ergebnis. Er ging in einer Wolke aus aufspritzendem Blut neben dem Kotflügel zu Boden und blieb auf dem Rücken liegen.
    Der magere Junge im Fahrerhaus bewegte sich jetzt. Ich rannte zu ihm und zerrte ihn direkt über die Leiche des ersten Kerls heraus. Schleppte ihn zu meinem Lieferwagen. Stieß ihn auf den Beifahrersitz, schlug die Tür zu, warf mich herum und wollte zur Fahrertür rennen. Aus dem Augenwinkel heraus bemerkte ich einen dritten Mann auf mich zukommen. Er griff in seine Jacke. Ein großer, schwerer Kerl in dunkler Kleidung. Ich schoss und sah seine Brust in einer Blutwolke zerplatzen – in genau der Zehntelsekunde, in der mir klar wurde, dass dies der alte Cop aus dem Caprice war, der in seine Jacke gegriffen hatte, um seine Plakette herauszuholen. Sie war ein goldenes Schild in einem abgewetzten Lederetui, das ihm jetzt aus der Hand flog, sich mehrmals überschlug und dicht vor meinem Wagen am Randstein landete.
    Die Zeit stand still.
    Ich starrte den Cop an. Er lag im Rinnstein auf dem Rücken. Seine Brust war eine einzige rote Masse. Alles war voller Blut. Aber es quoll nicht, wurde nicht herausgepumpt. Kein sichtbarer Herzschlag. Sein Oberhemd wies ein großes gezacktes Loch auf. Er lag völlig still. Sein Kopf war so zur Seite gedreht, dass eine Wange auf dem Asphalt lag. Seine Arme waren ausgebreitet, und ich konnte die Venen auf den Handrücken erkennen. Die Schwärze des Asphalts, das lebhafte Grün des Grases und das leuchtende Blau des Himmels waren mir sehr bewusst. Während das Echo der Schüsse noch in meinen Ohren dröhnte, konnte ich das Rascheln der von einer Brise bewegten jungen Blätter hören. Ich sah, wie der magere Junge durch die Windschutzscheibe meines Lieferwagens erst den niedergeschossenen Cop und dann mich anstarrte. Ich sah den Streifenwagen des College-Sicherheitsdienstes durchs Tor rollen und nach links abbiegen. Er fuhr langsamer, als er hätte fahren sollen. Hier waren unzählige Schüsse gefallen. Vielleicht machten sie sich Sorgen darüber, wo ihr Zuständigkeitsbereich begann und wo er endete. Vielleicht hatten sie einfach nur Angst. Ich sah ihre blassen Gesichter hinter der Windschutzscheibe. Ihr Wagen kam mit weniger als fünfzehn Meilen auf mich zugekrochen. Ich blickte auf die goldene Plakette im Rinnstein hinab. Das Metall war durch lebenslanges Tragen blank gewetzt. Ich blieb unbeweglich stehen. Schon vor langem hatte ich eines gelernt: dass es ganz einfach ist, einen Mann zu erschießen, aber völlig unmöglich, ihn wieder lebendig zu machen.
    Ich hörte, wie der Wagen der Collegecops langsam auf mich zurollte, hörte, wie seine Reifen über Splitt

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