Der Jesus vom Sexshop: Stories von unterwegs
Schuhflicker an meinen «New Balance»-Joggingschuhen mit den Luftkissen zu schaffen und ruinierte sie. Dann kam der Ohrenputzer. Er trug einen Holzkasten bei sich, mit langen, dünnen Stäbchen darin, und die Stäbchen wollte er mir in die Ohren stecken, um Steine aus ihnen zu holen. Ich habe es einmal mit mir machen lassen. Vor zehn Jahren in Goa. Seitdem habe ich kein Zahlengedächtnis mehr. Telefonnummern, Geburtstage, Kontostände – der Ohrenputzer hat sie weggeputzt.
Ich brauchte übrigens zwei Stunden von dem Park bis in mein Hotel. Zu Fuß sind es nur zehn Minuten, doch ich nahm eine Motorrikscha, der sich ankündigenden Amöbenruhr zuliebe. Rikschafahrer in Neu-Delhi sind eine ganz besondere Sorte Mensch. Sie ähneln den Taxifahrern. Sie bringen dich am liebsten dahin, wo sie selbst hinwollen. In den Shop eines Cousins oder auf eine Umgehungsstraße. Der Cousin, zu dem ich gebracht wurde, kam aus Kaschmir und hatte ein Reisebüro. Ich nutzte die Chance. Ich ließ ihn mein Ticket umbuchen. Und eine Stunde vor dem Start bekam der Mensch an der Paßkontrolle endlich seine Hand mit dem Ausreisestempel hoch.
«Nach uns die Sintflut», sagte Bernd, als wir durch waren. Er ist eigentlich ein netter Kerl. Aber das hat er ehrlich gemeint.
Wenn Betten reden könnten
(Hotels)
N eulich im Hotel. Ein Ehepaar, das einchecken will.
Und ein Rezeptionist.
Rezeptionist: «Where do you come from?»
Ehemann: «From Switzerland.»
Ehefrau: «Was hat er gesagt?»
Ehemann: «Er wollte wissen, woher wir kommen, und ich sagte ihm, wir kommen aus der Schweiz.»
Rezeptionist: «From where in Switzerland?»
Ehemann: «Basel.»
Ehefrau: «Was hat er gesagt?»
Ehemann (bereits leicht genervt): «Es ging um unsere Heimatstadt. Ich sagte, daß wir aus Basel seien.»
Rezeptionist: «Oh, Basel, da hatte ich mal den schlechtesten Sex meines Lebens.»
Ehefrau: «Was hat er gesagt?»
Ehemann: «Er sagte, daß er dich kennt.»
Neulich in einem anderen Hotel. Im Frühstückssaal. Der Gast gibt seine Bestellung beim Kellner auf.
«Ich hätte gern zwei Eier. Eins roh und eins steinhart. Dazu einen gänzlich verkohlten Toast und eine lauwarme Suppe, die nach Kaffee schmeckt.»
«Ich weiß nicht, ob sich das machen läßt», antwortet der Kellner.
«Wieso», sagt der Gast, «gestern ging’s doch auch.»
Warum ich hier Hotelwitze erzähle? Weil man im Hotel nichts zu lachen hat. Und vielleicht sitzen einige meiner Leser gerade jetzt in einem Hotelzimmer und fragen sich so dies und das. Warum sie zum Beispiel fast immer einen Spiegel genau dort an die Wand hängen, wo der Schreibtisch steht. Wer will beim Schreiben sein eigenes Gesicht sehen? Wen inspiriert das? Ich habe einen ziemlich großen Freundeskreis und einen noch größeren Kreis von Bekannten und Kollegen, und keiner kann das verstehen. Wollen die Hoteliers so vielleicht an hauseigenem Briefpapier sparen? Oder lieben sie es, ihre Zimmermädchen von allen Seiten zu betrachten, wenn sie diese auf dem Schreibtisch nehmen? Das Blöde an den Spiegeln: man kann sie nicht einfach abhängen, weil sie fest eingedübelt sind. Das geht nur mit den Bildern. Auch ein trauriges Thema. Hoteliers haben eine große Schwäche für Kupferstichkopien und Stilleben aus den Ein-Euro-Shops ex-jugoslawischer Emigranten. Früher habe ich sie irgendwo am Boden des Zimmers gestapelt, mit dem Motiv zur Wand, inzwischen stelle ich sie vor der Tür im Flur ab. So, wie man es mit schmutzigem Geschirr macht.
Man könnte nun behaupten, das sei ein typisches Billighotel-Problem. Ich würde sagen, man kann viel behaupten, was nicht stimmt. Weil auch die Wahl von teuren Hotels nicht immer sauberes Feng-Shui garantiert. Da schlägt einem der Hang zu Prunk und Protz gar nicht so selten wie eine Faust ins Gesicht. Oder in den Bauch. Harmonie wird mit dem Solarplexus wahrgenommen, auch Sonnengeflecht genannt, und dieses Geflecht ängstigt sich, wenn das Bett von wuchtigem Barock umringt wird und die Fenstervorhänge wie Teppiche fallen, und noch mehr ängstigt es sich, wenn hinter den Fenstervorhängen keine Fenster sind, was allerdings nur in Hotelzimmern der Dritten Welt und einiger Schwellenländer vorkommt. «Fake-windows» sind eine indische Spezialität. Sie vermitteln das Gefühl, daß du in einem Grab mit Roomservice eingecheckt hast.
Ich wende mich nun der hellen Seite des Reisens zu. Was macht ein gutes Hotelzimmer aus? Dafür gibt es eine einfache Formel: Je größer, desto besser, je
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