Der Jesus vom Sexshop: Stories von unterwegs
heller, desto schöner, je älter, desto atmosphärischer. Ein blinder Spiegel im Badezimmer des Hotels Rivieria (Havanna) erzählte mir Geschichten von Frank Sinatra, der sich vor vierzig oder fünfzig Jahren vor ihm rasiert hat, ein großer, alter Deckenventilator in Downtown Granada wußte von den Leiden eines erfolglosen (also schwer verletzten) Toreros zu berichten, und dann gibt’s da natürlich noch das große Thema: Wenn Betten reden könnten. Die Betten im Grand Hotel Londres (Istanbul) zum Beispiel würden sofort über die heimlichen Stunden des letzten osmanischen Sultans Abdülhamid II. mit seiner europäischen Konkubine sprechen wollen. So alt sind diese Betten nicht, höre ich die Zweifler sagen. Möglich. Sogar wahrscheinlich. Aber es scheint, daß sie die Geschichten ihrer Vorgänger-Möbel wie ein Erbe übernehmen, warum sonst sollte mir ein Bett im 1870 eröffneten Londres so etwas Komisches erzählen? Der Sultan brauchte eine Geliebte, obwohl er in seinem Harem schon rund neunhundert Frauen hatte. Damit wir uns nicht mißverstehen: Es gibt durchaus einen Unterschied zwischen Betten, die Geschichten erzählen, und Betten, die einfach nur nach Sperma stinken, wie die im Hotel Nana (Bangkok). Erst verschlug es mir den Atem, dann wollte ich die Schuhe nicht mehr ausziehen, weil der Bodenbelag ganz ähnlich roch. Glücklicherweise bekommt man in Thailand in jeder Apotheke rezeptfrei Valium. Danach bin ich drei Tage nicht mehr aufgewacht. Wenn ich doch mal aufwachte, wollte ich nicht aufstehen, und wenn ich doch mal aufstand, wollte ich mich wieder hinlegen. Das hat viel Spaß gemacht. Schlaf, Reisender, schlaf, dann bist du so wehrlos wie ein Schaf und so glücklich wie ein Buddha, denn auch das fiel mir auf in diesen drei Tagen: Ich schlief nicht nur gern, ich lag auch gern auf diesem durchgelegenen Bett, in diesem abgefuckten Zimmer. Ich mochte sogar die Kakerlaken, obschon meine Zuneigung zu ihnen eher theoretisch war, denn sie lebten im Bad, und das hatte ich seit langem nicht mehr gesehen. Der Weg ins Bad erschien mir wie der Weg zu einem Viertel am anderen Ende der Stadt. Und wurde auch so geplant.
Valium ist für schlechte Hotelzimmer deshalb ideal. Der Wirkstoff heißt Diazepam. Er gehört zu der Familie der Tranquilizer und zu den meistverschriebenen Psychopharmaka, weltweit. Auf der Liste der beliebtesten Beruhigungsmittel steht er auf Platz eins. Wirkung: Bedrohliches verwandelt sich in Nebensächliches, Furcht zerrinnt, psychische Tiefen gibt es nicht mehr. Fehlte dem Valium nicht die Magie des Opiums, wäre es die Königin der Drogen. So reicht es nur zur Königin der Krankenschwestern oder, wie in meinem Fall, zur Königin des Roomservice. Wer nichts braucht, wird immer gut bedient.
Mit dem genau entgegengesetzten Problem konfrontierte mich das beste Zimmer in einem zum Hotel umfunktionierten ehemaligen Maharadscha-Palast (Jaipur). Es hat ein Schweinegeld gekostet, aber das war mir so was von egal, denn in der Mitte des Zimmers schwammen auf einem Zierteich Lotusblüten, das Bett war ein Reich von seidenen Schleiern, die Bilder, die Möbel, die Marmorvariationen im Bad, alles atmete die Größe und den Geschmack der alten Moguln. Dazu gehörte eine etwa hundert Quadratmeter große Terrasse und der Himmel über der Wüste von Rajasthan. Und da wollte ich, man wird es verstehen, auf gar keinen Fall zu früh einschlafen. Weil mir jede verschlafene Stunde hier wie rausgeworfenes Geld erschien. Das macht zu gute Hotelzimmer natürlich auch ein bißchen kontraproduktiv. Aber sei’s drum. Greifen wir in die Reiseapotheke. Das Mittel heißt «Sangenor» und wird weltweit rezeptfrei in Trinkampullen angeboten. Wirkstoffe: Mono-L-Arginin-L-Aspartat, Hydroxybenzoesäuremethylester und Saccharosum. Anwendungsgebiete: 1. nach Marathons, 2. nach der Geburt, 3. nach Operationen. Nur drei von diesen Ampullen in einer Cola mit Rum genossen, und man bleibt wach bis zum Auschecken.
Fabelhaftes Auto
(Berlin)
I ch war über der Deadline, trotzdem saß ich vor dem Computer und tat nichts. Von daher störte das Klingeln nicht. Ein Unbekannter stand vor der Tür. Klein, dick, rundes Gesicht. «Guten Tag!» sagte er. «Guten Tag!» antwortete ich. Warum ich ihn reinließ? Ich weiß es nicht. Es war ein Gefühl. Ich bat ihn, neben meinem Schreibtisch Platz zu nehmen, was er tat, und bot ihm ein Bier an, was er ablehnte. Ob ich schon mal davon gehört hätte, daß Gott gelegentlich vom Himmel runterkomme
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