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Der Jesus vom Sexshop: Stories von unterwegs

Der Jesus vom Sexshop: Stories von unterwegs

Titel: Der Jesus vom Sexshop: Stories von unterwegs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helge Timmerberg
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Gehirn des iranischen Blödmanns, um da auch den letzten Schalter auszumachen, und die Gaspistole interessierte niemanden mehr.
    Das war die gute Nachricht. Die schlechte: Der Orient hat drei wirklich eklige Krankheiten anzubieten. Die Lepra, die Pest und die Elephantiasis. Haben Sie auf Ihren Fernreisen schon mal Menschen mit Beinen gesehen, die so dick wie die eines Elefanten waren? Diese Leute haben die Elephantiasis in den Griff gekriegt. Bei den weniger Glücklichen schwellen die Beine so lange an, bis sie platzen. Welches Los war mir beschieden, als ich sie bekam, im Niemandsland zwischen dem Iran und Pakistan?
    Ich fuhr in einem Zugwaggon dritter Klasse, der keine Sitze und keine Bänke hatte, und erfreute mich der Gastfreundschaft einer mitreisenden pakistanischen Familie. Sie hatten Teppiche auf dem Boden ausgebreitet und den Teekocher aufgestellt, und weil man die Schiebetür während der Fahrt aufließ, setzte ich mich in die Luke und ließ meine Beine nach draußen baumeln. Draußen war die Wüste und die Nacht, was mich entspannte und die Sterne zählen ließ. Warm war der Wind, süß waren die Träume, und noch hatte ich schlanke Beine.
    Hörte ich Musik? Ein Lied, so alt wie die Eisenbahn. Singende Räder, trommelnde Achsen, ölverschmierte Kolben am Baß. Die Dampfmaschine hat den Blues erfunden. Vom Herzen getriebene Menschen haben ihn nachgemacht. Van Morrison hatte gerade das Album «Moondance» veröffentlicht, und Jimi Hendrix war vor drei Monaten gestorben. Mit ihm starb das Jahr. Es war im Dezember 1970, in drei Tagen würde ich in Lahore und damit an der Grenze zu Indien sein. Weihnachten in Goa? Oder Weihnachten im Himalaja? Das war noch nicht ganz klar.
    Der Zug stoppte nach zwei Stunden. Wir hatten das Ende des Niemandslands erreicht. Hier begann Pakistan. Vor jedem Waggon wurde ein schmuckloser Tisch aufgestellt, auf jedem Tisch brannte eine Lampe, jede Lampe erhellte ein Gesicht. Arschgesichter, durch die Bank. Pakistanische Zollbeamte wollten Gepäck und Pässe sehen. Vor den Tischen häufte sich der Hausstand von Nomaden (Säcke, Kisten, Schweine), und einer der Zöllner meinte, für diesen Zug bräuchten sie die ganze Nacht. Er bot mir ein Bett in der Grenzstation an. Ein Bett? Sein Bett? Schwuler Muselmane, ick hör dir trapsen.
    Nicht eine Stunde war vergangen, da lag er schon neben mir und machte sich am Reißverschluß meines Schlafsacks zu schaffen. Vergeblich. Es war ein beidseitig zu nutzender Schlafsack mit einem beidseitig zu ziehenden Reißverschluß, und ich hielt auf meiner Seite heimlich fest. Und begann gleichzeitig, auf ihn einzuquatschen. Im Orient ein guter Trick. Egal, wie triebgesteuert der Orientale ist, der Kommunikation kann er sich nicht verwehren. Auch eine Art von Tausendundeiner Nacht. Solange man redet, wird man nicht gefickt.
    Als ich erwachte, war ich allein. Das goldene Licht der frühen Sonne überschwemmte das Bett. Und durch die offene Tür sah ich ein Kamel vorübergehen. Vögel zwitscherten nicht. Es gibt keine Singvögel in der Wüste. Ich richtete mich auf, ich wollte raus, ich hoffte, noch den Zug nach Lahore zu kriegen. Als ich mich aus dem Bett schwang, fiel ich sofort zu Boden. Ein Schmerz, als wäre ich in aufgestellte Bajonette gesprungen. Ich versuchte noch einmal aufzustehen, und wieder schien sich Eisen von den Fußsohlen bis zum Gesäß durch die Beine zu bohren. Auf dem Bauch kroch ich zur Tür hinaus.
    Ich hatte die Örtlichkeit bisher nur bei finsterer Nacht inspizieren können. Da hatte sie besser ausgesehen. Es gibt Kino, und es gibt Wüsten. Und im mühelos greller werdenden Licht der Realität sah ich weder majestätische Wanderdünen noch liebliche Oasen, sondern Kies und Geröll, soweit das Auge reichte, plus ein einziges (bereits erwähntes) Kamel, das abgemagert und räudig in der Hitze briet. Ich schaute nach rechts. Da stand eine Bank an der Außenwand des Zollhauses, Marke Pakistan.
    Krank auf der Bank. Todkrank, wie ich bald erfuhr. Meine Beine sahen aus, als hätte sie jemand über Nacht aufgepumpt, und setzte sich eine Fliege drauf, glaubte ich, man mache eine Zigarette an ihnen aus. Ich müsse sofort in ein Krankenhaus, wurde mir gesagt. Aber nicht in ein pakistanisches. Dafür sei ich weder geboren noch gebaut. Also zurück in den Iran. Mit dem nächsten Bus. Und was kam dann? Ich verlor wieder ein bißchen mehr von dem Grün hinter meinen Ohren.
    Bisher hatte ich geglaubt, arm sei gut. Diese Busfahrt belehrte mich eines

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