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Der Jesus vom Sexshop: Stories von unterwegs

Der Jesus vom Sexshop: Stories von unterwegs

Titel: Der Jesus vom Sexshop: Stories von unterwegs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helge Timmerberg
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Kellnerin wird aus dem «TAF» geholt, auch sie sieht nur weiße Schuhe, dann ist der Mann reif.
    «Ich brauch ’nen Whiskey.»
    «Bitte, hier herein», sagt Catweazle.
    Der nächste kommt. Ein Betrunkener. «Wo, bitte, geht es hier zum Fischmarkt?» Catweazle zeigt in Richtung «TAF»-Eingangstür: «Hier entlang, mein Freund. Im Bus nimmst du Platz und zahlst für die Fahrt. Dafür gibt’s dann auch zwei Bier.» Keinen Applaus bitte, Catweazle ist souverän. «Ich weiß, daß ich arbeiten kann.»
    Ganz anders geht «Tanga»-Michael ans Werk. Ruhig und höflich, immer leise und lächelnd auf die Passanten einflüsternd, umhüllt dieser Portier jedermann mit seiner Ausstrahlung von Vertrauen und Redlichkeit. Und wenn die Welt voller schlechter Menschen ist und auf St. Pauli der Nepp kassiert, dieser Mann kann nicht lügen und betrügen, nein, der kann nicht anders, als jedem die letzten Oasen achtbarer, ehrlicher Gastronomie auf dem Kiez zu zeigen: «Der ‹Tanga-Club›, meine Herrschaften.» Michaels bester Trick: die Wahrheit und nichts als die Wahrheit. «Ja, mein Herr, bei uns ist heute nacht nicht mehr viel los. Aber bei den anderen auch nicht. Wenn Sie also noch in Ruhe ein Bierchen trinken wollen, dann zeige ich Ihnen das gern einmal.»
    Falls mich jemand fragen sollte: Es ist klüger, mit Michael in den «Tanga-Club» zu gehen, als mit ihm Bahn zu fahren. Vor fünfzehn Jahren war er noch Lokführer. Weil seine Frau schon damals auf dem Kiez im «Piraten-Kabarett» gearbeitet hat, trat Michael seinen Dienst bei der Hamburger Hochbahn in der Regel so an: «Morgens kam ich rein in die Führerkabine, hatte drei Captagon drin, ein paar Pfeifchen Haschisch und jede Menge Bier, und ab ging der Zug.» Normalerweise reicht geringeres aus, um bei der Bahn gefeuert zu werden, aber Michaels Chef war der treueste Kunde von Michaels Frau im «Piraten-Kabarett».
    Es wird, wie gesagt, gierig gekobert diese Nacht. Die Jungs sind in Form und schleppen reichlich Nadelstreifen weg. Nur ich, und auch das wurde bereits erwähnt, ziehe nur Nieten. Und die größte Niete bin ich selbst. Ich kriege das einfach nicht hin. Dabei habe ich mir immer eingebildet, über ein gewisses erzählerisches Talent zu verfügen.
    «Äh, darf ich Ihnen mal das ‹Safari› zeigen?»
    «Nein.»
    «Äh, schade, äh.»
    Wahrscheinlich bin ich einfach nur verklemmt. So wie die bärtigen Studenten, die versteckt in ihren Parkas auf der Mittellinie der «Freiheit» entlangeilen, als führe sie nur soziologisches Interesse auf den sündhaft kapitalistischen Kiez, und die sich die Nickelbrillen putzen müssen, damit sie aus diesem Abstand noch etwas von den Nacktfotos im Aushang erkennen können.
    Von acht Uhr abends bis vier Uhr morgens komme ich mit sage und schreibe drei Passanten ins Gespräch. Zwei davon fragen mich, ob ich Captagon für sie hätte, der dritte, ein Schwarzer, will von mir die in den Fenstern ausgehängten Fotos der Tänzerinnen kaufen. Das war alles.
    Nein, stimmt nicht. Da war noch dieses orangerote Pärchen. Baghwan-Jünger. Und ich dachte, die kriege ich, mit denen kenne ich mich aus. Erzähle ihnen, wie auf der Bühne gebumst wird und daß es durchaus eine spirituelle Erfahrung sein kann, sich so was anzusehen. Als der Mann dann die Frau auch noch fragte, ob sie «die Energien dafür» habe, wollte ich frohlocken. Der Bann schien gebrochen.
    «Geht nur rein», sagte ich, «kostet hier wesentlich weniger als die Sextherapien bei euch.»
    Und was antwortet die Orange?
    «Wir wollen uns das nicht ansehen. Wir wollen das selber machen. Wir suchen einen Job als Ficker-Pärchen.»
    In vier Wochen werden sie insgesamt sechsundneunzigmal auf der Bühne bumsen und dafür eine hübsche Summe bekommen, und ich stehe draußen vor der Tür und bin frustriert. Operetten-Günther aus dem Schwarzwald sieht es und gibt einen Tip: «Wenn ich mal richtig daneben bin, Bengel, dann gehe ich zu den Pennern in den ‹Goldenen Handschuh› und schmeiß ’ne Lokalrunde. Dann kommt die ganze Bande zu mir, und jeder bedankt sich per Handschlag für das Bier. Wenn die damit durch sind, bin ich wiederaufgebaut.»
    Ich gehe nicht in den «Handschuh», egal wie golden der ist, ich gehe zu «Gretel und Alfons». Das ist eine gemütliche, typisch hanseatische Kneipe, direkt gegenüber vom «Safari». Hier haben seinerzeit die Beatles gesoffen, weil der «Star-Club» damals zwei Häuser weiter rechts stand, und hier ist die Kantine der Portiers.
    «Man kann

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