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Der Jesus vom Sexshop: Stories von unterwegs

Der Jesus vom Sexshop: Stories von unterwegs

Titel: Der Jesus vom Sexshop: Stories von unterwegs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helge Timmerberg
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nur eines», sagen die Portiers, «trinken oder essen.» Also trinken sie, was so ab zwei Uhr nachts losgeht und manchmal erst um zwei Uhr mittags aufhört. Kommt auf die Stimmung an. Auf jeden Fall sitzen an dieser Theke die exzessivsten und lustigsten Schluckis nördlich der Elbe.
    Es beginnt mit dem «Leuchtturm», auch Albert genannt, der auf seinem Stammplatz links außen an der Theke schläft. Das tut er meistens. Nicht nur bei «Gretel und Alfons», sondern auch vor den Kabaretts, für die Albert kobert. Locker an die Wand gelehnt, die Hände tief in den Taschen vergraben, schläft der lange Albert dort seine Stunde im Stehen weg, und die Gäste kommen trotzdem, denn der alte Albert schläft seit fünfundzwanzig Jahren auf der «Freiheit». Er ist ein Denkmal, eine Rarität, ein Unikum. Nach Feierabend, also ab vier Uhr morgens, ratzt der «Leuchtturm» an der Theke weiter. Ab und an wirft jemand eine Runde, und dem Albert wird sein Glühwein hingestellt. Er trinkt ihn, ohne aufzuwachen.
    Der Rest der Truppe spielt Karten und hofft, daß der kleine Roi wieder mal vorbeikommt, denn dann wird es hier saugemütlich. Der kleine Roi war ein ganz Großer auf der «Freiheit». Er ging den vielbesungenen Weg vom Portier zum Kabarettbesitzer. Ihm gehörten hier zig Läden, einen davon hat er beim Spielen wieder verloren.
    Jetzt ist Roi seriös geworden, jetzt ist er weg von St. Pauli. Er besitzt das Tanzcafé «Boccaccio» am Hauptbahnhof. «Aber mindestens einmal im Monat muß ich wieder bei euch sein!» ruft Roi mindestens einmal im Monat, und dann spendiert er Lokalrunden und nervt den Operetten-Günther stundenlang, nun endlich eine Arie vorzutragen. «Ich komme doch nur wegen dir, du alte Spritdrossel. Ich will dich singen hören.»
    Und irgendwann schafft es Roi immer. Dann kannst du bei «Gretel und Alfons» eine Spielkarte auf den Boden fallen hören, so andächtig still sind alle, wenn Günther sich auf den Stufen zum Hinterzimmer in Stellung bringt, seinen Brustkorb anschwellen läßt und mit ausgestrecktem Arm und seinem Bier in der Hand sein Lied anstimmt:
Ich bin nur ein armer Wandergesell –
(und nun alle!)
gute Nacht, liebes Mädel, gut Nacht.
    Da wacht selbst Albert wieder auf. In so einer Nacht muß es gewesen sein, als sie Siggis Holzbein an einem Barhocker festnagelten und der das erst gemerkt hat, als er mit dem Hocker nicht ins Taxi kam.

Ping Pong
    (Wien)
    Ping: Gastautor Gerhard Kummer
    Pong: Helge Timmerberg
     
    Ping
    Die Wahrheit ist: Meine Freundin ist mit einem anderen durchgebrannt, mein Job auch, das Buch, das ich immer schreiben wollte, ist nicht mal mehr ein Traum, die neuen Russen unter mir machen Lärm wie die Affen im Dschungel – und die Wohnung kann ich mir schon längst nicht mehr leisten. Dazu kommen: fehlende Energie, Motivations- und Ziellosigkeit, Schlafstörungen und die schlechte Angewohnheit, zuviel schlechtes Dope zu rauchen. Würde man mit mir eine Sitcom drehen, wäre ich der Loser auf einer Couch, die nicht mir gehört. Das ist die Wahrheit eine Woche vor meinem siebenunddreißigsten Geburtstag.
    Was ich dem entgegenhalten kann? Nichts als täglich ein paar Klimmzüge an der Gasleitung, Tischtennis – und die Hoffnung auf ein kleines Wunder. Dazu zählen: Lottotreffer und eine Frau, die mich für den Rest meines Lebens verzaubert (und versorgt). Am besten wäre allerdings eine Erleuchtung.
    Die stelle ich mir ungefähr so vor: Ich falle in tiefe Meditation (kann auch eine kurze Ohnmacht sein), öffne hinterher die Augen, und der Alptraum ist gewichen. Das bislang gefesselte Bewußtsein ist frei, entlassen Richtung Ewigkeit. Der Bann ist gebrochen, der Fluch erloschen. Ein frischer, glänzender Morgen bricht an. Keine Magenschmerzen, keine Verspannungen, kein Wahnsinn und auch kein Blues. Keine akuten Existenzsorgen. Aber Hunger. Aufs Frühstück, auf den ganzen Tag, aufs Leben selbst. Spaß. Spielerische Leichtigkeit im Tun. Mit links Kohle machen und im rechten Arm eine Mieze.
    Als ich jetzt die Augen aufmache, sehe ich nur einen dreckigen Kühlschrank. Als ich den Kühlschrank aufmache, sehe ich einen dreckigen Kühlschrank von innen. Warum gehe ich nicht einfach mal an die frische Luft? Ins Kino? Weil ich tief drinnen weiß, daß die Lösung eine ganz andere ist. Ich weiß es, seit ich Ping Pong spiele.
    Nur soviel: Tischtennis ist asiatischer Nahkampf – mit Schlägern statt Handkanten. Als Anfänger geht es darum, einen Kunststoffball halbwegs kontrolliert zu

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