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Der Jesus vom Sexshop: Stories von unterwegs

Der Jesus vom Sexshop: Stories von unterwegs

Titel: Der Jesus vom Sexshop: Stories von unterwegs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helge Timmerberg
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Straße verkaufte: «Fünfzig Pfennig Vergnügungssteuer.» Und was war mit dem Anwalt aus Hannover, der immer seine Sekretärin mitbrachte? Die Frau stand darauf, im Laden über den Tisch gelegt zu werden, am liebsten von Siggi.
    Einigermaßen sicher ist nur, daß Siggi sein rechtes Bein bei der Horex AG verlor, als er vor nunmehr dreißig Jahren als Testfahrer vom Motorrad fiel. Das hat er nämlich schriftlich. Der Rest ist Literatur.
    Selbst Otto, der seit zwanzig Jahren Nacht für Nacht an Siggis Seite kobert, wird immer wieder überrascht. «Ich kenne den Hund nun wirklich», sagt Otto, und er stampft dabei wütend mit dem Fuß auf, «aber der legt mich immer wieder rein.»
    «Ja, der Siggi», brüllt von gegenüber der Bariton, «der wird ausgestopft und an die Ecke vom ‹Safari› gestellt. Ja, ausgestopft wird der!»
    Kollege Michael, auch vom «Tanga-Club» wie der Schwarzwälder, findet die Idee nicht schlecht. Leise, aber phantasiebegabt variiert er das Thema: «Dann bauen wir ihm noch einen Motor ans Holzbein, und damit haut der Siggi dann immer gegen die Wand. Tak, tak, tak, wie ’ne Uhr.»
    Siggi findet die Idee nicht so gut. Er will lieber ausgestopft in einem Glaskasten der Holsten-Brauerei stehen, vorne am Anfang der «Freiheit».
    Nun, wir haben genug gelacht, denn jetzt biegt so runde fünfzig Meter vor uns der Ernst des Lebens in die «Freiheit» ein. Eine vielversprechende Gruppe gutgekleideter Herren. Die Portiers verstummen mitten im Satz und gieren mit Haifischaugen auf den in Nadelstreifen anrollenden Umsatz. Es geht um viel.
    Die Zeiten auf St. Pauli im allgemeinen und auf der «Freiheit» im besonderen sind schlechter geworden. In den sechziger Jahren verdienten die Männer und Mädchen der Kabaretts noch, was sie wollten. Ein, zwei, drei Flaschen Mumm & Co. für dreihundertfünfzig Mark das Stück wurden von den Gästen entspannt auf die Spesenrechnungen getippt und von der Steuer abgeschrieben. War alles kein Problem. Trinkgelder flossen geschmeidig, auch für die Portiers. Der Michael vom «Tanga-Club» hatte eigens für diesen Zweck eine kleine Kleiderbürste im Mantel, mit der er den Herren zum Abschied noch die Flusen vom Kragen staubte. Zur Erinnerung: Ein Lump, der da nicht einen Schein in die allzeit behilfliche Hand gleiten läßt. Was die Jungs damals verdienten, verrät hier keiner. Aber sie haben das Geld auch wirklich nötig gehabt. «Wenn Männer wie wir mal versacken», sagt Michael, «dann wird das richtig teuer. Richtig teuer wird das.»
    Es soll also bei Gott niemand behaupten, die Portiers hätten keinen Grund, hart zu arbeiten. Vor allem jetzt, in den bösen Jahren der Rezession, in denen der Schlottergeist der Sparsamkeit bis in die letzten Séparées der «Freiheit» eindringt, heißt es ranklotzen. Selbst ein alter Kober-König wie Siggi muß mit seinem Holzbein mächtig klappern, denn die jungen Kollegen sind nicht auf den Mund gefallen. Catweazle zum Beispiel.
    Der heißt so, weil er so aussieht. Klein und drahtig steht er vorm «TAF», das natürlich keine Toilette ist, wie Otto verlauten ließ, sondern ein Kabarett, nicht schlechter und nicht besser als die anderen. Catweazles Kunden sind all jene, die an dem «Safari»-Team unbeschadet vorbeigekommen sind. Ganz harte Brocken also, möglicherweise sogar impotent, was Improvisation erfordert.
    Mit den Bayern ist das noch relativ einfach. Die gehen schon hoch, wenn Catweazle sie fragt, ob sie aus Düsseldorf kommen. Aber nehmen wir den Herrn mit Goldrandbrille und der Aura eines Mannes, der schon alles gesehen hat. Er geht allein, trägt einen dunklen Zweireiher und schwarze italienische Halbschuhe. Catweazle baut sich vor ihm auf und schaut bewundernd an ihm herunter. «Sie haben aber ausgefallene Schuhe, mein Herr. Also, das muß ich schon sagen, das traut sich ja nicht jeder, weiße Schuhe anzuziehen.»
    «Wieso weiß?» fragt der Herr. «Die sind schwarz.»
    Catweazle noch immer höflich: «Aber bitte, scherzen Sie ruhig mit mir. Ihre Schuhe sind weiß, mein Herr.»
    «Nein, die sind schwarz.»
    Catweazle jetzt entrüstet: «Ja, bin ich denn besoffen? Nein, bin ich nicht. Ich trinke nämlich nicht im Dienst. Ist nicht gesund, so was. Mein Herr, ich schwöre, die Schuhe sind weiß. Haha, da haben Sie mich wirklich beinah hochgenommen. Schöne weiße Schuhe sind das.»
    Der Dialog spinnt sich noch eine Weile fort, und der Passant gerät ins Schwitzen, denn Catweazle ist durch und durch überzeugend. Eine

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