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Der Joker

Titel: Der Joker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Zusak Alexandra Ernst
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Wohnzimmers in die Ecke. Ich denke: Gib nicht länger der Karte die Schuld, Ed. Nimm sie an. Ich gehe hinaus auf die Veranda und betrachte meinen eigenen beschränkten Blick auf die Welt. Ich will diese Welt packen, und zum ersten Mal überhaupt habe ich den Eindruck, dass ich es tun kann. Ich habe alles überlebt, was ich bisher zu tun beauftragt war, und ich stehe immer noch hier. Okay, es ist eine wackelige Veranda, auf der ich stehe, die an ein elendes Loch von einer Hütte angebaut ist, und wer bin ich denn zu behaupten, dass sich die Welt in irgendeiner Weise verändert hat? Aber Gott weiß, dass die Welt sich bisher reichlich bei mir bedient hat. Der Türsteher sitzt wachsam neben mir, na ja, so gut er eben wachsam
aussehen kann. Er wirkt sogar verlässlich und gehorsam. Ich schaue zu ihm runter und sage: Es ist so weit.
    Wie viele Menschen bekommen diese Chance?
    Und von den wenigen, die sie bekommen - wer nimmt sie tatsächlich wahr?
    Ich kauere mich nieder und lege meine Hand auf die Schulter des Türstehers. Und dann gehen wir los, um den Berg der Brüder zu finden.
    Etwa auf halbem Weg die Straße hinunter bleiben wir stehen.
    Wir bleiben stehen, weil wir ein Problem haben. Nur ein einziges.
    Wir haben keine Ahnung, wo wir suchen sollen.
     
     
    Der Rest der Woche trottet vorbei - eine Endlosschleife von Kartenspielen, Taxifahren und Herumhängen mit dem Türsteher. Am Donnerstagabend kicke ich mit Marv einen Ball auf dem Sportplatz herum und schaue ihm anschlie ßend zu, wie er sich bei sich zu Hause betrinkt.
    »Nur noch gut einen Monat bis zum großen Spiel«, sagt er. Er schlürft das Bier seines Vaters. Er kauft sich nie sein eigenes. Niemals.
     
     
    Marv wohnt immer noch bei seinen Eltern. Das Haus ist innen drin ziemlich hübsch, zugegeben. Holzdielen auf den Böden. Saubere Fenster. Seine Mutter und Marissa sorgen dafür. Marv, sein stinkfauler Bruder und der Vater rühren keinen Finger. Marv bezahlt eine kleine Miete und bringt den Rest seines Geldes auf die Bank. Manchmal frage ich mich, wofür er spart. Auf seinem Konto liegen dreißigtausend Dollar, behauptet er.

    »Auf welcher Position willst du spielen, Ed? Beim Spiel, meine ich.«
    »Keine Ahnung.«
    »Ich will ins Mittelfeld«, vertraut er mir an. »Aber wahrscheinlich komme ich wieder in den Flügel. Du bist in der zweiten Reihe, obwohl du so hager und schwach bist.«
    »Schönen Dank auch.«
    »Ist doch wahr!«
    Darauf kann ich nichts erwidern.
    »Dabei kannst du wirklich gut spielen, wenn du dich anstrengst«, fährt er fort.
    Das ist der Moment, in dem ich Marv sagen sollte, dass auch er ein guter Spieler ist. Aber ich tu’s nicht. Ich halte meinen Mund.
    »Ed?«
    Nichts.
    Ich denke wieder an das Kreuz-Ass und überlege, wo ich den Berg der Brüder finden kann.
    »Ed?« Er klatscht vor meinen Augen in die Hände. »Bist du da?«
    Einen kurzen Moment lang spiele ich mit dem Gedanken, Marv zu fragen, ob er schon mal vom Berg der Brüder gehört hat, aber irgendetwas hält mich davon ab. Er würde es nicht verstehen, und ich bin mir mittlerweile völlig sicher, dass ich diese Sache allein durchziehen muss. Ich allein bin der Bote.
    »Bei mir ist alles klar, Marv«, sage ich. »Ich musste nur an ein paar Dinge denken.«
    »Das wird dich noch mal umbringen«, warnt er mich. »Es ist besser, gar nicht zu denken.«
    Manchmal wünsche ich mir, so zu sein wie er. Dann würde
ich mir nie Sorgen machen, mich nie um Sachen kümmern, die wichtig sind. Ich wäre glücklich, auf dieselbe bemitleidenswerte Art wie unser Freund Ritchie. Nichts berührt dich und du berührst niemanden.
    »Keine Sorge, Marv«, sage ich. »Mir geht’s gut.«
    Marv ist heute Abend nach Reden zumute. »Kannst du dich noch an das Mädchen erinnern, mit dem ich zusammen war?«, fragt er.
    »Suzanne?«
    Er sagt ihren vollen Namen, malt ihn mit Worten. »Suzanne Boyd.« Er zuckt mit den Schultern. »Ich musste früher manchmal daran denken, wie sie mit ihrer Familie weggezogen ist, ohne ein verdammtes Wort zu sagen. Das war vor drei Jahren... Ich habe so lange darüber nachgegrübelt, bis ich beinahe wahnsinnig wurde.« Er spricht nun meine eigenen Gedanken aus. »Jemandem wie Ritchie wäre so was egal. Er würde sie eine Schlampe nennen, ein Bier trinken und zum Buchmacher gehen und eine Wette abschließen.« Marv lächelt reumütig und schaut zu Boden. »Aus und vorbei.«
    Ich will mit ihm reden.
    Ich will ihn nach diesem Mädchen fragen, will wissen, ob er sie geliebt

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