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Der Joker

Titel: Der Joker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Zusak Alexandra Ernst
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mit unverhohlenem Sarkasmus.
    Klatsch. Klatsch.
    Klatsch.
    Gut gemacht, Ed.
    Gut verloren.
    Ich stehe im hohen Gras und höre erst jetzt den Fluss. Es hört sich so an, als würde er trinken. Ich schaue aufs Wasser und sehe Sterne dort. Sie wirken wie auf die Oberfläche gemalt.
    Das Taxi , denke ich. Es ist offen. Und der Schlüssel steckt auch noch, die schlimmste Sünde, die ein Taxifahrer bei der Verfolgung eines zahlungsunwilligen Passagiers begehen kann. Eine Todsünde, um genau zu sein. Man nimmt immer den Schlüssel mit. Man schließt immer ab. Jeder tut das, nur ich nicht.
    Vor meinem geistigen Auge sehe ich das Taxi.
    Auf der Straße, einsam und verlassen.

    Beide Türen sind weit geöffnet.
    »Ich muss zurück«, flüstere ich, aber ich rühre mich nicht.
    Ich stehe ganz still, bis das erste Licht des Morgens emporsteigt und ich wieder meinen Bruder und mich rennen sehe.
    Mich verlieren sehe.
    Ich sehe uns, wie wir zusammen angeln, am Flussufer, und dann, wie wir weiter flussaufwärts gehen, dorthin, von wo man keine Häuser mehr sehen kann. Ganz hoch, wo es steil ist, wo wir von den Felsen aus die Angel ausgeworfen haben.
    Die Felsen.
    Die glatten Felsen.
    Riesengroß, fast wie …
    Zuerst laufe ich langsam, dann mit schnellen Schritten. Flussaufwärts.
    Ich folge meinem Bruder und mir selbst. Steil hinauf.
    Das Wasser zerknittert auf dem Weg nach unten, während meine Hände und Füße mich vorwärts tragen. Die Welt erleuchtet sich, nimmt Form und Gestalt an, gewinnt an Farbe. Mir ist, als wäre alles rings um mich herum angemalt.
    Meine Füße kribbeln.
    Erst waren sie kalt, jetzt werden sie heiß.
    Ich sehe es.
    Ich sehe uns.
    Da , zeige ich mir. Da sind die Felsen. Die riesigen Steine. Gott, ich sehe uns dort, wie wir die Angelschnur sausen lassen, immer hoffend, manchmal lachend. Wir haben uns geschworen, nie jemandem zu erzählen, dass wir hier heraufkommen.

    Ich bin fast da.
    In weiter Ferne steht das Taxi. Die Türen sind immer noch offen.
    Die Sonne ist da. Eine orangefarbene Scheibe, wie ausgeschnitten vor blauer Pappe.
    Ich bin ganz oben. Knie mich hin.
    Meine Hände berühren den kühlen Stein.
    Ich atme aus.
    Glücklich.
    Ich höre den Fluss und schaue hoch und weiß, dass ich vor dem Berg der Brüder knie.
     
     
    Drei Namen sind in den Fels geritzt.
    Ich sehe sie ein paar Augenblicke später, als ich wieder aufschaue, und ich lese sie mehrmals, ohne zu begreifen.
    Die Namen lauten:
     
     
    Thomas O’Reilly
    Angie Carusso
    Gavin Rose
     
     
    Eine Weile rauscht der Fluss durch meine Ohren und Schweiß schiebt sich unter meine Achseln. Rutscht an meiner linken Seite herab, meinen Rippenbogen entlang und schlüpft unter den Saum meiner Jeans.
    Ich krame nach Papier und Bleistift, obwohl ich weiß, dass ich beides nicht bei mir habe, aus demselben Grund wie man jemandem eine falsche Antwort gibt, in der unwahrscheinlichen Hoffnung, dass sie sich wundersamerweise doch als richtig erweisen wird.
    Aber es ist nun mal, wie es ist: Ich habe nichts zu schreiben
bei mir. Daher notiere ich mir die Namen in mein Gedächtnis und ritze sie zur Sicherheit tief dort ein.
    Thomas O’Reilly.
    Angie Carusso.
    Gavin Rose.
    Keiner der Namen ist mir vertraut, was mich erleichtert. Ich habe das Gefühl, dass es schwieriger wäre, wenn ich die Leute kennen würde, zu denen ich geschickt werde.
    Ich werfe einen letzten langen Blick auf den Stein und wende mich dann ab. Auf dem Rückweg sage ich mir die Namen immer wieder auf, wie ein Mantra, damit ich sie nicht vergesse.
     
     
    Ich brauche fast eine Dreiviertelstunde, bis ich wieder beim Taxi bin.
    Als ich dort ankomme, sind die Türen zu, aber nicht verschlossen. Der Schlüssel steckt nicht mehr im Zündschloss. Ich setze mich hinters Steuer und klappe die Sonnenblende nach unten. Der Schlüsselbund fällt mir in den Schoß.

7
    Der Priester
    »O’Reilly, O’Reilly...«
    Ich blättere im Telefonbuch. Es ist Mittag. Ich habe geschlafen.
    Es gibt zwei T. O’Reillys. Einer in der besseren Gegend der Stadt. Einer in der schäbigen.
    Das ist er , denke ich. Der Schäbige .
    Ich weiß es.

    Um ganz sicher zu sein, gehe ich erst zu der besseren Adresse. Es ist ein hübsch verputztes Haus mit einer breiten Einfahrt. Ich klopfe an der Eingangstür.
    »Ja?«
    Ein großer Mann öffnet und schaut mich durch die Fliegengittertür an. Er trägt Shorts, ein T-Shirt und Slipper.
    »Entschuldigen Sie bitte die Störung«, sage ich, »aber...«
    »Wollen Sie was

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