Der Judas-Schrein
…«
»Guten Morgen.« Berger nickte knapp.
»Lady! Sie sind diese junge Kriminalpsychologin an der Seite unseres Helden.« Philipp setzte ein charmantes Lächeln auf.
»Wenn ich Ihnen einen Tipp geben darf: Passen Sie gut auf sich auf, wenn Sie in seiner Nähe sind. Ich habe gehört, er reicht seine Waffe öfter mal an verdächtige Personen. Um so eine attraktive, intelligente Frau wie Sie wäre es verdammt schade.«
Berger rümpfte die Nase. »Ich weiß sehr wohl, dass ich auf dem Revier Psychotante genannt werde, auch von Ihnen. Sparen Sie sich also Ihre Schmeicheleien.«
Körner schluckte und starrte betroffen zu Boden. Schlagartig herrschte ein frostiges Klima im Raum.
»Sie haben mich ertappt, Psychotante. Eins zu Null für Sie.« Philipp widmete sich wieder seiner Arbeit, ihn schien Bergers Vorwurf nicht wesentlich aus der Fassung zu bringen. Körner nahm ihm das sogar ab. Philipp war abgebrüht genug - und mit Frauen hatte er sowieso kein Problem: Entweder konnte er schamlos mit ihnen flirten, oder er beleidigte sie, und dann war der Fall für ihn erledigt.
Körner wandte sich ab und ging den markierten Weg entlang.
»Zertrampel mir bloß keine weiteren Spuren. Ein Hund ist vorhin in die Bar gelaufen. Der Köter hat wichtige Spuren verwischt«, rief ihm Philipp nach.
»Ja, ja! Ich muss mir ansehen, wie der Killer den Tatort arrangiert hat. Wenn man den Künstler verstehen will…«
»… muss man sein Werk betrachten. Ich weiß, das ist ein alter Hut.« Philipp deutete auf die ausgesteckte Wegführung. »Aber nur da entlang, du Kunstkenner!«
Berger folgte ihm nicht, sie blieb zurück und plauderte mit Philipp. Er hörte nicht, worüber sie sprachen, doch am Tonfall merkte er, dass Berger interessiert Fragen stellte. Auch wenn Philipp ein Ekel war, beruflich konnte man einiges von ihm lernen. Möglicherweise renkte sich die Beziehung zwischen den beiden wieder ein. Er war es gewöhnt, dass Philipp die Menschen bei seiner ersten Begegnung vor den Kopf stieß. Er war wie ein Großwesir, man musste sich seine Gunst hart erarbeiten, und wenn Berger ein wenig von ihrer kühlen, distanzierten Art ablegte, würden die beiden sogar miteinander zurechtkommen.
Körner ging auf den Paravent zu und war auch schon am Ende des Raums angelangt. Durch einen Torbogen führte nur noch ein Gang an den Toiletten vorbei und endete in einem Hinterhof mit Parkplatz, wie er vermutete. Jede Bar hatte einen! Schließlich mussten sich die Jugendlichen irgendwo heimlich treffen, um Tabletten zu tauschen und mit den Mädchen auf den Autorücksitzen zu fummeln.
Hinter der Alufolie, die Kralicz, genannt Basedov, zum Erhellen des Raumes verwendete, zuckte noch immer das Blitzlicht. Wie eine Supernova flammte es auf, und Körner sah für einen Moment nur grell blitzende Sterne. Basedov stand hinter der Nikon und presste das Auge an den Sucher der Kamera. Er hantierte am Blitzlicht und betätigte den Auslöser. Wenn man ihm bei der Arbeit zusah, glaubte man, er blicke mit einem Auge in den Sucher, während er mit dem anderen Auge einen selbst mustere. Sein basedofscher Blick sah noch schlimmer aus, als habe man einen Frosch mit der Fahrradpumpe aufgeblasen, zumindest behauptete das Philipp immer, wenn er über Basedov scherzte. Der Fotograf war ein netter Kerl; offensichtlich war das der Grund, weshalb er die ständigen Witze auf seine Kosten erduldete. Er trug das kurze Haar exakt gescheitelt und wirkte so bieder wie ein Familienvater, der tagsüber beim Finanzamt die Eingangspost stempelt. Der Spitzname Basedov war letztendlich eine von Philipps Kreationen, Basedow mit russischem Akzent gesprochen - geprägt an jenem Tag, als Basedov eine Ukrainerin heiratete, mit der er mittlerweile zwei Kinder großzog. Körner hatte den Spitznamen nie besonders geschmackvoll gefunden, doch auf dem Revier hatte er wie ein Blitz eingeschlagen und war seitdem nicht mehr wegzudenken gewesen.
Basedov glotzte Körner an. »Morgen, Alex. Wieder mal vereint, wie in den alten Zeiten in Mödling.«
»Ja, war eine tolle Zeit…«
»Wir waren schon damals ein einmaliges Team«, brüllte Philipp jenseits des Paravents. »Seitdem hat sich nicht viel verändert, stimmt’s?«
»Du hattest mehr Haare«, konterte Basedov. »Schnauze!«
Basedov verstummte. Er besaß nicht die Nerven, sich mit Philipp auf niveaulose Wortgefechte einzulassen.
»Warten wir es ab, ob wir diesmal auch so gut sind. Basedov, ich wollte …«
Das Blitzlicht flammte auf, und
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