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Der Judas-Schrein

Der Judas-Schrein

Titel: Der Judas-Schrein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gruber
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einer reißenden Strömung entwickelt, und die Boote würden wie Papierschiffe weggespült werden.«
    Körner hörte sich alles geduldig an. Er kam zwar aus der Stadt, was jedoch nicht bedeutete, dass er sich jedes Märchen auftischen ließ. »Sind Sie schon auf die Idee gekommen, sich per Luftbrücke des Bundesheeres rausholen zu lassen?«
    Der Bürgermeister lachte ironisch. »Seit einer Stunde funktionieren die Telefone nicht mehr. Die Masten wurden geknickt und die Sender unterspült. Festnetz, E-Mail und Fax sind ausgefallen.«
    Dieser Mann hielt ihn tatsächlich für blöd. »Was ist mit den privaten Handys oder den Funkgeräten der Feuerwehr? Es gibt Dutzende Möglichkeit, den Katastrophenschutz zu informieren und die Einwohner in Sicherheit bringen zu lassen!«
    »Oh, es gibt diese Notfallpläne, doch ich fürchte, Sie haben mich falsch verstanden. Wir haben die Evakuierung abgelehnt.« Weißmann grinste ihn an.
    »Wie bitte?«
    »Die Bürger von Grein und Heidenhof weigern sich, den Ort zu verlassen. Ich kann das gut verstehen. Sie bleiben auf eigene Gefahr hier und helfen, den Deich zu sichern. Wir haben noch zwanzig Zentimeter Spielraum, dann erst wird der Fluss die Deichkrone überströmen.«
    »Mir ist unbegreiflich, weshalb Sie so verbissen an Ihrem Deich arbeiten anstatt sich in Sicherheit zu bringen.«
    »Noch liegt kein Grund zur Panik vor, denn selbst wenn am Trieracher Stausee der Pegel so hoch steigt, dass die Flut über die Staumauer zu stürzen droht, kann das der Deich abfangen. Er ist stabil genug. Das Spoisdorfer Chemiewerk bereitet mir mehr Sorgen.«
    Körner blickte den Bürgermeister kühl an. »War’s das?«
    »Ich halte Sie nicht weiter auf. Aber machen Sie sich auf einen längeren Aufenthalt in Grein gefasst.« Weißmann zog sich die Hutkrempe ins Gesicht und ging grußlos davon.
    Körner sah ihm nach, wie er in seinen klapperigen Mercedes stieg, auf dem Parkplatz vor dem Friedhof wendete und davonfuhr. Sture Landleute! Wie konnte man nur in dem Ort bleiben wollen und darauf verzichten, evakuiert zu werden? »Rettet euren kleinen Ort vor dem Hochwasser«, murmelte Körner.
    »Was?«
    Er fuhr herum. Philipp kam eben nach draußen, auf dem Stiel einer kalten Pfeife kauend.
    »Egal.« Körner schüttelte den Kopf. »Was habt ihr rausgefunden?«
    Philipp trat an seine Seite, entzündete die Pfeife und zog kräftig daran. »Jana hat mir eben das Resultat ihrer Autopsie an Sabine Krajnik erzählt - über die Saugstellen am Wirbel, die Splitterung des Knochens, die Punktierung des Rückenmarks und den ganzen Quatsch von der Zellteilung und Eigenautonomie der unbekannten Haut- und Fleischteile. Also, hättet ihr mir das vor zwei Tagen erzählt, ich hätte ernsthaft an eurem Verstand gezweifelt.« Philipp sah ihn müde an. »Aber jetzt zweifle ich an meinem eigenen.«
    »Glaube mir, mir geht es nicht anders.«
    »Scheiße, in diesem Kaff geht etwas Merkwürdiges vor, und wir schlittern immer tiefer hinein.« Philipp starrte über den Abhang zum Ortszentrum, wo die Kirchenspitze und die roten Schindeldächer aus den grauen Schlieren ragten.
    »Wir haben noch nicht mal die Oberfläche angekratzt…«
    »Du glaubst, es kommt schlimmer?«
    »Bestimmt.« Körner nickte. »Doch vorher sollten wir Basedovs Mördern den Arsch aufreißen.«
    »So gefällst du mir. Das ist der alte Alex Körner, wie ich ihn kenne!« Philipp packte Körner mit der Pranke am Nacken und griff fest zu.
    »Lass den Quatsch!« Körner schlug die Hand beiseite. »Koren hat mich vom Dienst suspendiert.«
    Augenblicklich vergaß Philipp seine Spaße. »Wann?«
    »Vor drei Stunden. Aber offiziell weiß ich es noch nicht.« Er stockte. »Bist du auf meiner Seite und lösen wir den Fall?«
    »Und ob«, antwortete Philipp ohne zu zögern. »Da ich von deiner Suspens offiziell nichts weiß, habe ich kein Problem damit. Nur vor den Frauen würde ich an deiner Stelle den Mund halten.«
    »Sie werden es ohnehin erfahren«, gab Körner zu bedenken. »Und Berger ist eine, die sich an die Paragrafen und Vorschriften hält.«
    »Ich weiß, doch so wie es aussieht, sitzen wir die nächsten Tage hier fest, und es wird nicht lange dauern, bis das Telefonnetz und anschließend die Stromversorgung ausfallen.«
    »Das Festnetz ist schon tot.«
    »Na bitte! Da wir ohnehin bald komplett von der Außenwelt abgeschnitten sein werden, haben wir Narrenfreiheit! Je nachdem, wie lange das Unwetter dauert, bleibt uns eine Frist von zwei bis drei Tagen. Wir

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