Der Judas-Schrein
Delle im Gehäuse, in der Linse war sogar ein Sprung. Die Erinnerung der letzten Stunden zog wie ein Film an ihm vorüber: Er hatte mit schlotterndem Körper in eine Decke gehüllt neben Basedovs Leichnam im Braunen Fünfender gesessen und auf die Ankunft von Berger und Sabriski gewartet. Währenddessen war Philipp schnurstracks in die Gaslight Bar gelaufen, um sich am Tatort umzusehen. Auf dem Bauch liegend, war es ihm gelungen, das Stativ mit einem Besen von der Kellertreppe zu fischen. Eine halbe Stunde später war er mit der Kamera und Basedovs Schuh in die Gaststätte zurückgekehrt.
»Die Kamera hat im Wasser gelegen, die ist bestimmt hinüber«, erinnerte Körner ihn.
»Nur zum Teil«, widersprach Philipp. »Der obere Teil des Apparats war trocken. Aber ich gebe dir Recht, die Kamera ist mit Sicherheit kaputt. Schau dir nur das Objektiv an - schade drum! Aber vielleicht hat es der Speicherchip überlebt.« Philipp steckte sich die Pfeife in den Mundwinkel und schob die schwarze, quadratische CompactFlash-Karte aus der Kamera.
»Was willst du damit anfangen? Woher sollen wir in diesem Nest eine brauchbare Digitalkamera auftreiben?«
»Unnötig. Wir nehmen einfach Basedovs Kartenlesegerät und hängen es direkt an den PC. Möglich, dass sich einige Bilder auf den Computer retten lassen. Vielleicht kommen wir dahinter, wonach Basedov gesucht hat.«
Für einen Augenblick hoben sich Körners Augenbrauen. »Wäre einen Versuch wert.«
»Ich sage dir Bescheid, sobald ich etwas herausgefunden habe.« Philipp wollte sich bereits dem Parkplatz zuwenden, als ihn Körner am Mantel zurückhielt.
»Ab sofort geht keiner allein weg! Ich möchte nicht, dass noch einmal passiert, was mit Basedov geschehen ist. Womöglich haben wir mehrere Killer im Ort, die nur darauf warten, dass wir uns trennen und sie uns allein erwischen!«
»Oha! Auch schon paranoid geworden?«, stichelte Philipp.
»So wie du!«
Während die beiden Frauen in der Aufbahrungshalle blieben, fuhren Körner und Philipp zum Braunen Fünfender.
21. Kapitel
Die beiden Männer saßen im Gemeindesaal vor Martin Goissers surrendem PC. Körner sah dem Spurensicherer bei der Arbeit zu. Im Lesegerät steckte die Speicherkarte, worauf sich 61 Fotos mit jeweils einer Größe von knapp einem Megabyte befanden. Philipp sortierte die Dateien mit einem Mausklick nach dem Datum.
»Die ersten dreiundfünfzig Fotos stammen vermutlich aus Martin Goissers Dachkammer, Basedov hat sie gestern Mittag geschossen. Hier siehst du das Erstellungsdatum und die Uhrzeit.« Philipp hinterließ einen Fingertapser auf dem Bildschirm. »Die restlichen acht Fotos wurden ebenfalls gestern geknipst, allerdings erst um 21.00 Uhr.«
»Zu dieser Zeit war er in der Gaslight Bar«, erinnerte sich Körner. »Sehen wir uns das letzte Foto zuerst an.«
Philipp klickte auf die Datei mit der spätesten Uhrzeit. Ein Bild sprang auf, doch zeigte es nichts weiter als einen Lichtschein mit verschwommenem Hintergrund.
Philipp fluchte. »Die Dateien sind beschädigt. Ist wohl doch Wasser auf die Kontakte der Speicherkarte gekommen.« Er öffnete die nächste Datei. Wiederum war ein Lichteffekt auf dem Bild zu sehen, der Körner an eine missglückte Aufnahme mit Überbelichtung erinnerte. Das nächste Bild zeigte die Holzwand der Gaslight Bar. Im linken Bildrand war ein Teil der Eisenkonstruktion zu sehen.
»Basedov hat nicht bloß den Tatort fotografiert, sondern speziell die Wand in einer Großaufnahme«, murmelte Körner.
»Ich erinnere mich«, platzte es aus Philipp heraus. »Er hat sich darüber beklagt, auf seinen Tatortfotos aus der Bar seien Fehler. Ich hatte ihn noch verarscht, er könne nicht mit der Kamera umgehen.«
»Sieht so aus, als wollte er diese Fehler reproduzieren«, überlegte Körner. »Sehen wir uns das letzte Foto noch einmal an.«
Philipp klickte wieder auf die Datei. Die Großaufnahme der Wand erschien.
»Das sieht aus, als krümme sich das Licht um diesen Punkt.« Körner zeigte auf die Stelle. »Kannst du das Foto verdunkeln und gleichzeitig schärfer stellen?«
»Kein Problem.« Philipp reduzierte mit der Maus den Helligkeitsausgleich von fünfzig auf dreißig Prozent. Augenblicklich verdunkelte sich das Bild, nur der grelle Lichtblitz hob sich deutlich vom schwarzen Hintergrund ab. Anschließend wählte Philipp den Scharfzeichnungsfilter und schob den Mauscursor von eins auf fünf. Die Ränder des Lichtblitzes kamen gestochen scharf ins Bild.
»Es sieht
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