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Der Judas-Schrein

Der Judas-Schrein

Titel: Der Judas-Schrein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gruber
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sie ertranken und zur leichten Beute wurden. Womöglich war es aber selbst schon ersoffen und lag tot auf dem Boden?
    Dittrich schrie auf. Aus der Lethargie erwacht, schlug er mit den Armen um sich und ruderte von der Wand weg, in die Mitte der Höhle.
    »Was ist?«, brüllte Grieg. »Ist es wieder da?«
    Der Alte stach den Spaten ins Wasser. Das Wasser schäumte, die Wellen spritzten bis zur Decke.
    »Aufhören!«, rief Paulsen. Mit der Hand schirmte er die Flamme der Lampe ab. »Keine Panik.«
    »Das Ding greift nach mir.« Dittrich presste sich mit dem Rücken an Paulsen.
    Grieg drehte sich um die eigene Achse, während er immer wieder die scharfe Kante des Spatens ins Wasser schlug. »Ich krieg dich, ich krieg dich, ich krieg …«
    »Aufhören!«, brüllte Paulsen. »Das hat keinen Sinn. Wir müssen …« Er verstummte jäh. Ein starker Arm wie von einer Seeschlange strich meterlang an seinem Bein entlang. Da erkannte er das Ausmaß des Wesens. Plötzlich begann sein von der Kälte gelähmtes Herz zu rasen. Er strampelte mit den Beinen, taumelte zurück und presste sich mit dem Rücken an die Wand.
    Dittrich wich ihm nicht von der Seite. »Du hast es auch gespürt, nicht wahr?«
    Ohne zu antworten, versuchte Paulsen sich die Dimension des Wesens auszumalen; woher es kam, wie groß es war, und was sich am Ausgangspunkt dieses Tentakels befand!
    »Ich habe etwas in der Erdspalte gesehen, als ich mit der Lampe hineinleuchtete«, murmelte Dittrich. »Ihr wolltet mir nicht glauben. Aber dieses Ding ist jetzt hier! Es ist in dieser Höhle!«
    Paulsens Gedanken überschlugen sich. Waren es mehrere Tentakel, die durchs Wasser streiften? Kamen sie aus der Erdspalte? Was immer aus der Tiefe des Bergs zu ihnen empor gestiegen war, es war jedenfalls nichts Gutes - und sie hatten es befreit. Die Legenden vom Teufelsberg mussten eine Ursache haben, und genau darauf waren sie eben gestoßen.
    Da spürte Paulsen wieder eine Strömung am Bein, doch diesmal dauerte die Berührung bloß einen Sekundenbruchteil, als habe ihn ein Widerhaken angetippt. Er hob den Griff. »Töten wir das Ding, bevor es uns tötet!«
    Gleichzeitig schlugen er und Grieg die Spaten ins Wasser. Ziellos droschen sie drauflos, bis das Wasser schäumend an die Decke spritzte. Dittrich stand mit erhobenen Händen in der Mitte der Höhle, die Flamme der Lampe abschirmend.
    Erneut wurde Paulsen unter Wasser berührt. Kräftig wand sich der Arm in Kniehöhe zwischen seinen Beinen hindurch und streifte die Oberschenkel.
    »Es ist bei mir!« Paulsen konnte sich nicht rechtzeitig befreien. Die Wurzel umschlang seine Beine, zog sich mit eisernem Griff zusammen, quetschte ihm die Muskeln ab und riss ihn mit einem Ruck herum. Instinktiv füllte er seine Lungen, bevor er im nächsten Moment unter Wasser gezerrt wurde. Eine unvorstellbare Kraft rollte ihn um die eigene Achse. Er wusste nicht mehr, wo oben und unten war. Das blasse Schimmern der Lampe tauchte mal da, mal dort auf. Er verlor den Helm, streifte mit dem Kopf auf dem Boden, schmeckte Schlamm im Mund. Ihn schwindelte, er drohte zu ertrinken. Dumpf drangen Griegs Schreie zu ihm. Da traf ihn die Kante des Spatens in die Kniekehle. Er riss den Mund auf und sog reflexhaft das Wasser in die Lungen.
    Plötzlich lockerte sich der Griff um seine Beine. Hände packten ihn, zerrten ihn hoch. Als er mit dem Kopf durch die Oberfläche stieß, spie und hustete er das brackige Wasser aus. Gierig atmete er ein. Mittlerweile musste er auf den Zehenspitzen stehen, um überhaupt noch den Kopf aus dem Wasser zu halten. Zwischen der Wasseroberfläche und der Höhlendecke war nur noch ein Freiraum von einem halben Meter Höhe.
    Grieg zog sich neben Paulsen zum Holzbalken. Dittrich klammerte sich ebenfalls an den Deckenpfosten. Der Boden der Lampe wurde bereits vom Wasser umspült. Ein winziger Spritzer genügte und sie würden im Dunkeln Wasser treten.
    Paulsen hievte sich in die Höhe, bis er mit dem Kopf die Holzlatten berührte. Anschließend zog er die Beine an, denn irgendwo unter ihm tummelte sich das unheimliche Wesen. Ein Schmatzen in der Wand ließ sie herumfahren. Klumpige Brocken fielen klatschend ins Wasser. An zwei Stellen schob sich das Erdreich auseinander.
    »Die Kumpel!«, rief Dittrich. »Sie befreien uns!«
    Ein gewaltiges Stück Erde brach aus der Wand. In der schwarzen Öffnung bewegte sich etwas, wühlte und wand sich im Matsch, grub sich hervor und gab sich für einen Sekundenbruchteil zu erkennen: Eine

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