Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Judas-Schrein

Der Judas-Schrein

Titel: Der Judas-Schrein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gruber
Vom Netzwerk:
letzten Loch und hüpfte auf dem Schlittengestell auf und ab, als wolle sie jeden Moment auseinander fallen. Der Mann trat mit dem Stiefel gegen das Gerät.
    »Das Mistding ist verschlammt, da kommt nichts mehr raus.«
    »Wechsel den Filter aus!«, brüllte ein anderer.
    Ein schwarzer Kunststoffschlauch lief von der Pumpe weg, über die Stufen und durch den Eingang in das alte Gemeindegebäude. Körner stieg über den Schlauch.
    Der bärtige Feuerwehrmann tippte ihm auf die Schulter. »Wo wollen Sie hin? Die Gemeinde ist zu, heute ist Dienstag.« Die goldgelb bestickte Achselschlaufe wies ihn als Gefreiten aus.
    »Darf ich mich umsehen?«
    »Nein»
    »Aber die Tür steht offen.«
    »Nein!« Der Feuerwehrmann funkelte ihn missgelaunt an. »Wir haben gerade einen Einsatz, oder glauben Sie, wir machen zum Spaß eine Übung für neugierige Zuschauer?«
    »Hören Sie, ich störe Sie ja nicht bei Ihrer …« Fast wäre ihm das Wort Übung rausgerutscht. »Bei Ihrem Einsatz«, korrigierte er sich rasch. »Ich möchte bloß da rein.«
    »Und jetzt hören Sie mir zu!« Der Feuerwehrmann setzte Körner den Finger auf die Brust. »Sie können da nicht rein! Das Grundwasser hebt das Fundament. Die Keller der meisten Häuser sind überflutet. Das Gelände ist derart stark durchfeuchtet, dass der Boden keine zusätzlichen Wassermassen aufnehmen kann. Und jetzt gehen Sie mir aus dem Weg, wir haben zu tun.«
    »Warum pumpen Sie das Wasser nicht aus dem Keller?«
    »Wohin denn?« Der Mann riss die Arme hoch. »Wir pumpen es hier raus und es läuft in den nächsten Keller rein.«
    »Leiten Sie das Wasser in den Fluss.«
    »Na klar! He, habt ihr das gehört?«, rief er laut zu seinen Kollegen. »Das ist die Lösung. Wir pumpen einfach das Wasser aller überfluteten Keller in die Trier.« Mit ernster Miene wandte er sich wieder zu Körner. »Der Grundwasserspiegel ist so hoch, dass uns der Wasserdruck von außen das Fundament eindrückt, sobald wir das Wasser abpumpen.«
    Körner hatte keine Ahnung, weshalb ihm der Mann das alles erzählte. Er rang um Geduld. »Ich will bloß einen Blick in das Archiv werfen.«
    Der Feuerwehrmann sah Körner mit einem fassungslosen Gesichtsausdruck an. »Sie wollen es nicht verstehen, oder? Die Bausubstanz ist brüchig. Einige alte Häuser sind einsturzgefährdet, auch das Gemeindearchiv. Ich darf Sie da nicht reinlassen!«
    Da kam eine Dame in weitem Rock und schwarzer Bluse aus dem Gebäude. Die Frau war in Körners Alter, wog aber bestimmt doppelt so viel wie er. Sie presste sich einen Aktenordner unter den Busen und kniff die Augen zusammen, als der Wind ihre Pagenfrisur zerzauste.
    Körner eilte die Treppe hoch. »Alexander Körner«, stellte er sich vor und gab der Frau die Hand. »Arbeiten Sie auf der Gemeinde?«
    Sie klimperte mit dem Schlüsselbund. »Öffentliche Amtsstunden sind erst wieder morgen«, erklärte sie und wandte sich ab.
    Keine Chance! Die Menschen in diesem Ort klammerten sich auch dann noch an die Vorschriften, wenn ein Killer die Kinder in ihrem Ort abschlachtete.
    Als die Frau an ihm vorbeiging, fiel sein Blick auf den Ordner. Frau Lusack, Unterschriftenmappe stand in Maschinenlettern darauf.
    Da erinnerte er sich an das Gespräch, das er gestern Abend mit Sonja Berger in seinem Büro geführt hatte. »Frau Lusack?«, fragte er.
    »Ja?« Sie wandte sich um, sah ihn aber um keinen Deut freundlicher an als zuvor.
    »Sie haben gestern meiner Kollegin vom Landesgendarmeriekommando Kopien von den Totenscheinen der Krajnikgeschwister gemacht.«
    »Oh, ich erinnere mich.« Ihr Blick hellte sich auf. »Eine nette, junge Frau, Ihre Kollegin. Wir haben uns unterhalten.« Mit einem Mal wirkte sie gar nicht mehr wie ein verbittertes Walross. »Was wollen Sie denn auf der Gemeinde? Noch mehr Totenscheine ausheben? Da muss ich Sie enttäuschen. Die Kinder der Krajniks waren die Einzigen, die so früh verstarben.«
    »Ich wollte nur einen Blick in die Dorfchronik des Jahres 1937 werfen.«
    »Ausgerechnet 1937?« Sie dachte einen Moment nach, als wisse sie nicht so recht, wie sie sich entscheiden sollte. Dann gab sie sich einen Ruck. »Eigentlich wollte ich gerade rüber ins Büro gehen, aber Sie können sich das Archiv ja auch allein ansehen. Sie haben Glück, heute ist mein langer Tag. Ich bin bis sechs Uhr im Büro, dann mache ich Schluss und muss absperren.«
    Sie machte kehrt und lief über die Stufen in das Gemeindegebäude zurück. Körner folgte ihr, wandte sich aber kurz um und

Weitere Kostenlose Bücher