Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Judas-Schrein

Der Judas-Schrein

Titel: Der Judas-Schrein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gruber
Vom Netzwerk:
Kugelschreiber aus der Tasche und wollte das Poster vorsichtig von der Wand entfernen, als er bemerkte, dass sich der untere Rand des Plakats aufwellte. Die Klebestreifen hingen lose in der Luft. Waren sie um zehn Uhr heute Morgen auch schon lose gewesen, als er mit Sonja Berger in dem Zimmer die Leiche entdeckt hatte? Während er mit dem Auto vom Dorfplatz hierher gerast war, hatten sich stille Zweifel eingeschlichen. Hing er bloß einem Hirngespinst nach? Dachte womöglich er selbst zu kompliziert? Doch als er das Poster mit dem Stift sachte von der Wand hob und dahinter spähte, wusste er, dass er Recht behalten hatte. Hinter dem Plakat lag eine Maueraushöhlung. Irgendwie hatte es Martin geschafft, den Wandverputz und ein paar Ziegel aus der Wand zu kratzen, sodass ein rechteckiges, fünfzehn Zentimeter tiefes Loch entstand, in dem ein A4-Ordner bequem Platz gefunden hätte. Doch das Versteck war leer. Keine Ordner, keine Kassette, keine CD, keine Diskette, kein Packen Papier. Nur Mauerreste, Kalkstein und Staub. Wonach immer der Mörder in Martins Zimmer gesucht hatte, er war fündig geworden.
    »Scheiße!« Körner schlug mit der Faust gegen die Wand, bevor er die Nummer des Gemeindesaals ins Handy tippte, wo sein Ermittlerteam auf ihn wartete. Beim zweiten Klingelton wurde er stutzig. War die Leitung angezapft? Lag ein Funke Wahrheit in Philipps Verschwörungstheorie? Eine gesunde Portion Paranoia hat noch niemandem geschadet! Körner unterbrach die Verbindung und wählte Philipps Handynummer. Er hielt sich nicht lange mit Erklärungen auf. »Irgendetwas wird in diesem Ort vertuscht. Sabine und Martin wussten davon. Zumindest hatte der Junge Unterlagen darüber, die jetzt weg sind.«
    »Wo zum Teufel steckst du?«
    »In Martins Zimmer. Untersuch das schwarze Poster an der Wand nach Fingerabdrücken. Berger soll alles über Martins Leben rausfinden: Wo hat er geforscht, wer hat ihm dabei geholfen, mit wem hat er über seine Recherchen gesprochen? Sie soll sich alle Leute vorknöpfen, die ihn bei seinen Ermittlungen gesehen haben. In der Zwischenzeit soll Basedov versuchen, die Computerdateien zu knacken. Du und Jana seht euch am Besten im Kirchenarchiv von Pater Sahms um. Findet heraus, wonach Martin gesucht hat und was das mit Pater Dorn zu tun hat.« Er atmete tief durch. Philipp schwieg am anderen Ende. »Hast du alles notiert?«
    »Ich hab es mir gemerkt«, brummte der Spurensicherer. »Für den Job brauchen wir sicher ein paar Stunden.«
    »Wir hocken ohnehin in diesem Ort fest.«
    »Danke, dass du mich daran erinnerst. Was machst du unterdessen?«
    »Ich fahre zum Gemeindeamt und werfe einen Blick in die Dorfchronik. Mal sehen, ob ich etwas über die Katastrophe im Steinkohlenbergwerk herausfinde.«
     
    12. Kapitel
     
    Körner verließ das Haus der Goissers und fuhr mit dem Wagen die Straße hinunter. Das im Rinnstein stehende Wasser preschte gegen die Bodenplatte. Während sich Philipp und Sabriski in der Kirche umsahen, würde er der Gemeinde einen Besuch abstatten. Einige hundert Meter vor dem Hauptplatz lenkte er den Wagen auf den Gemeindeparkplatz. Als er ausstieg, riss ihm der Wind beinahe die Autotür aus der Hand. Eine Bö peitschte ihm den Regen ins Gesicht. Was für ein Wetter! Nicht nur, dass es pausenlos schüttete, jetzt kam auch noch der Sturm hinzu. Körner schlug sich den Kragen hoch und verließ den Parkplatz.
    Neben dem alten Gemeindehof lagen die neuen Büros, die es vor siebenundzwanzig Jahren noch nicht gegeben hatte. Schilder wiesen darauf hin, dass das Bau- und das Meldeamt in den neuen Trakt übersiedelt waren. Demnach befand sich der Rest noch im alten Gebäude, einem zweistöckigen Klotz mit hohen Fenstern und rotem Schindeldach. Wenn das der alte Gemeindeeingang war, wie es Sabine Krajnik in ihrem Tagebuch beschrieb, dann musste Martins Rad häufig hier gestanden haben. Bestimmt lag der Lesesaal mit den Unterlagen über die Dorfchronik in der Nähe. Allerdings brannte kein Licht hinter den Fenstern.
    Der Eingang zum ehemaligen Gemeindeamt war von einem Feuerwehrwagen versperrt. Ein Kanaldeckel lag neben dem offenen Schacht und meterlange Kabel und Schläuche verliefen quer über die Straße. Drei Männer in blauen Uniformen standen am Bürgersteig, Wolfgang Heck war nicht darunter. Ein älterer Feuerwehrmann mit wildem Zottelbart, einem Parka und festen Stiefeln mit Stahlkappen stand neben einer Schmutzwasserpumpe. Während der Benzinmotor tuckerte, pfiff die Pumpe aus dem

Weitere Kostenlose Bücher