- Der Jünger des Teufels
Sie das alles mal nicht so auf, Stone. Und einige
Ihrer Verdachtsmomente sind unhaltbar. Zum Beispiel das Phantombild. Auf dem
Bild sehen wir einen Mann, keine Frau. Zweitens soll vor dem Wohnwagen laut
Zeugenaussage eine Frau geschrien haben. Ist eine Frau kräftig genug, um zwei Leichen
fünfzig Meter weit in die Mine zu schleifen?«
»Sie meinen, diese Person vor der Mine könnte nicht Kate in
einer Verkleidung gewesen sein, um uns in die Irre zu führen? Jetzt sagen Sie
nicht, sie wäre nicht stark genug, um eine Leiche zu schleppen. Ich hab sie
beim Polizeisport gesehen. Sie ist fit genug.«
Lou schüttelte den Kopf. »Ganz abgesehen von alledem hat Moran
genug Schwierigkeiten, und sie hat kein Motiv, um mit einem der anderen Morde
etwas zu tun zu haben. Außerdem wissen wir, dass da draußen ein Nachahmer
herumläuft. Die türkische Polizei will nur mit ihr sprechen. Sie hat sich in
Istanbul unvernünftig verhalten, mehr nicht.«
»Sie scheinen Zweifel zu haben, Lou«, sagte Stone vorwurfsvoll.
»Um die Wahrheit zu sagen, beunruhigen mich die anderen Fakten mehr. Ich meine
die Kleidung und den Bronco. Meiner Meinung nach haben wir mehr als genug
handfeste Beweise und Indizien, um sie zu verhaften. Wir sollten uns an die
Gesetze halten, dem Protokoll folgen und sie verhaften.«
»Gibt es noch andere Ratschläge, die Sie mir gerne erteilen
würden, Stone?«, sagte Lou trocken.
»Ja, manchmal tun unvernünftige Menschen verrückte Dinge.«
Stone beugte sich vor und stützte sich mit den
Fingerspitzen auf Lous Schreibtisch. »Es gibt nur eine Möglichkeit, die
Wahrheit zu erfahren. Wir müssen Moran zum Verhör hierher bringen und sie
richtig unter Druck setzen. Natürlich darf ich nicht vergessen, dass Sie mit
ihr befreundet sind. Oder vielleicht fehlen mir sogar noch Informationen?«
»Zum Beispiel?«, fragte Lou ein wenig aggressiv.
»Dass Sie möglicherweise eine Affäre mit Kate Moran haben und
dies Ihr Urteilungsvermögen trübt. Oder Sie haben nicht den Mumm, das zu tun,
was Sie tun müssen, weil Sie mit ihr befreundet sind?«
Lou stieg die Röte in die Wangen. Er sprang auf. »Wenn Sie noch
einmal andeuten, zwischen mir und Moran gäbe es mehr als ein rein kollegiales
Verhältnis, ziehe ich Sie mit nacktem Arsch über heiße Kohlen.«
»Ich finde, Sie gehen sehr behutsam mit ihr um. Das ist
nicht zu übersehen«, erwiderte Stone ein wenig kleinlaut.
»Das ist Ihre Meinung.« Lou trat ans Fenster, stemmte die Hände
in die Hüften und schaute hinaus in den strömenden Regen. Auf seinem Gesicht
spiegelte sich Wut, als er Stone, ohne sich umzudrehen, anfuhr: »Verlassen Sie sofort mein Büro!«
Stone ging zur Tür und sagte mürrisch: »Ich krieg Moran dran,
Lou. Ich muss weitere Beweise sammeln und noch ein paar Zeugen in die Mangel
nehmen, aber letztendlich krieg ich sie dran. Auch wenn Sie mit ihr befreundet
sind, glaube ich, dass Moran eine ausgefuchste Mörderin ist, und ich werde es
beweisen. Ist Ihnen schon mal in den Sinn gekommen, sie könnte aus Istanbul verschwinden
und die Flucht antreten? Haben Sie daran schon gedacht?«
Lou drehte sich um und sagte in scharfem Ton: »Nur zu Ihrer
Information, Stone, das kann auf gar keinen Fall passieren. Inspektor Uzun hat
alle Grenzübergänge informiert, vor der Stadt Straßensperren errichtet, und er
überwacht den Flughafen. Derzeit ist er selbst vor Ort und sieht sich
persönlich jeden Passagier an, der sich in Istanbul eincheckt. Er ist ganz
sicher, dass Kate nicht die geringste Chance hat, aus Istanbul zu fliehen.«
86.
Istanbul,
Türkei
Schließlich verließ ich die Toilette wieder und
ging zurück in die Ankunftshalle. Ich war sicher, dass man mich sofort verhaften
würde, sobald ich meinen Reisepass an einem Ticketschalter vorlegte. Um
überhaupt eine Chance zu haben, die Türkei zu verlassen, musste ich mich
verkleiden und mir einen falschen Reisepass besorgen.
Eine vage Idee, wie ich diesen Teil meines Plans
realisieren könnte, hatte ich bereits, doch die Umsetzung war mit
Schwierigkeiten verbunden und vermutlich auch gefährlich. Ich setzte meine
Sonnenbrille auf, schlang mir das Kopftuch wie eine Türkin um und ging durch
die Halle zu einem Getränkestand, um mir eine Tasse Kaffee zu kaufen. Dann
setzte ich mich auf einen freien Platz, beobachtete die Menge und betete, dass
ich entdeckte, wonach ich Ausschau hielt.
Als Polizistin hatte ich in Dulles ein paar Monate lang
einer Sondereinheit zur Bekämpfung von Taschendieben
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