- Der Jünger des Teufels
Stimmt’s?«
Ich verlor die Geduld. Ich war nicht hier, damit er diese Spielchen
mit mir trieb. Kurz entschlossen stand ich auf. »Viel Spaß in der Hölle.«
In seiner Miene spiegelte sich noch immer Trotz. »Im
Gegensatz zu vielen anderen, die vor mir gegangen sind, freue ich mich wirklich
auf das Experiment. Doch bevor ich Satans Reich betrete, möchte ich, dass Sie
etwas wissen, Kate.«
Ich antwortete nicht. Ich war sicher, dass Gemal mit mir spielte.
Ich wusste nicht warum – er war verrückt, und vielleicht war das Grund genug –,
doch ich würde ihm nicht die Genugtuung geben, mich zu verspotten. Ich hatte
die Tür fast schon erreicht, als ich plötzlich reglos verharrte.
»Ah, ich sehe, Sie tragen noch immer einen Verlobungsring. Ist
es der, den David Ihnen geschenkt hat? Ein schöner Ring. Sind die
Brillanten echt? Ich wette, ja.« Gemal sprach mit mir, als hätte er es mit
einer Kranken zu tun. »Vermissen Sie David und Megan? Es tut weh, an sie zu
denken, nicht wahr? Tag für Tag, Nacht für Nacht. Ein Schmerz tief in Ihrem
Innern. Viel schlimmer als das hier.«
Er hob die rechte Schulter, als wollte er mir die
Schusswunde unter seinem Gefängnisoverall zeigen, die ich ihm zugefügt hatte. »Ein
sauberer Schuss, Kate. Hat mein Schulterblatt durchlöchert und mich
niedergestreckt. Cleverer Trick, die Sache mit der Sicherung. Und unsere kleine
Freundin Melanie lebt weiter und kann davon berichten.«
»Wenn sie überhaupt noch ein normales Leben führen kann nach
der Hölle, die sie durchgemacht hat. Für das Kind wird es nie mehr so sein wie
früher.«
Der Jünger lächelte. »Wir alle haben unser Kreuz zu tragen.
Aber wir schweifen ab, Kate. Ich wollte sagen, dass viele meiner Kollegen in
der Psychiatrie der Meinung sind, Siegmund Freud sei passé. Ich aber glaube,
dass Freud den Grund für Traurigkeit perfekt formuliert hat, als er sagte, die
Ursache jeglicher menschlicher Trauer sei der Verlust der Liebe eines Menschen.
Stimmen Sie mir zu?«
Ich warf einen Blick zurück auf Gemal, der mich mit
unbewegter Miene anstarrte. »Sie bösartiger, kranker, gefühlloser Scheißkerl«,
sagte ich.
»Nennen Sie mich, wie Sie wollen, aber ich habe sie nicht getötet,
Kate.«
Ich starrte Gemal an. » Wen getötet?«
»David und Megan. Ich habe die beiden nicht angerührt.«
7.
Mir stockte der Atem. Vor sieben Monaten war
Gemal während eines fünfwöchigen Prozesses in vier Fällen des vorsätzlichen Mordes
schuldig gesprochen worden, einschließlich der Morde an David und Megan. Gemal
hatte seinen Anwalt mitten im Prozess nach Hause geschickt und seine Schuld an
den Morden in keinem der Fälle gestanden, obwohl er auf frischer Tat gefasst worden
war, als er gerade eines seiner Opfer abgeschlachtet hatte. Im Grunde hatte er
vor Gericht so gut wie nichts gesagt. Er hatte nur mit ausdrucksloser Miene
dagesessen. Gemal war einer ganzen Reihe psychologischer Tests unterzogen
worden, mit dem Ergebnis, dass sein geistiger Zustand es ihm erlaube, vor
Gericht zu erscheinen.
Nun lehnte Gemal sich im Stuhl zurück, wobei seine Ketten leise
rasselten, und blickte mich gelassen an. »Sie haben es gehört. Ich habe David
und Megan nicht getötet. In allen anderen Fällen bin ich schuldig – sogar an
den Morden, die zwar in Ihren Akten stehen, deren ich aber nicht angeklagt
werde. Doch was David und Megan betrifft, wasche ich meine Hände in Unschuld.«
Ich starrte ihn fassungslos an. Hinter seiner Behauptung musste
eine Strategie stecken, aber welche? Auf jeden Fall wusste ich, dass Gemal
etwas im Schilde führte. Es musste etwas Grausames sein, ein letztes,
verzweifeltes Aufbäumen, um Macht zu demonstrieren und mir Schmerzen zuzufügen.
Das war seine Art. So verschaffte er sich seinen Kick, doch ich durchschaute sein
eigentliches Motiv nicht. Ich blickte auf das Spiegelglas und fragte mich, was
der Gefängnisdirektor, die Wärter und der Anwalt von Gemals Worten hielten.
Waren sie so überrascht wie ich?
»Wenn das ein Trick ist …«, begann ich.
Gemal blickte mich ruhig an. »Kein Trick, Kate. Ich wollte nur,
dass Sie die Wahrheit erfahren. Es war an der Zeit, dass Sie es aus meinem
Munde hören. Als Sie und Ihre Freunde mich verhörten, haben Sie mich nach einer
Reihe von Widersprüchen am Bryce-Tatort gefragt. Unter anderem, warum das Kreuz
in diesem Fall nicht an derselben Stelle lag wie bei den anderen Morden.
Außerdem wurde Ihrem Verlobten in den Kopf geschossen, was bei keinem meiner
Opfer der Fall
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