Der Junge, der mit den Piranhas schwamm
rutscht rückwärts vom Wandschrank weg und kriecht zur Tür hinaus.
„Kommt mit, meine Hübschen“, flüstert er. Er eilt zu den Maschinen. „Es tut auch gar nicht weh“, sagt er.
Er drückt auf Knöpfe, betätigt Hebel, legt Schalter um. Er grinst. Er ballt die Hände zu Fäusten. Er vollführt einen Freudensprung, als die Maschinen zum Leben erwachen. Dann beginnt er mit der Arbeit.
Zehn
Es ist schon helllichter Tag, als Stan erwacht. Kein Wecker, keine Sirene, keine Tonbandaufnahme. Er reibt sich die Augen. „Habe ich etwa verschlafen?“, fragt er.
Dann schaut er zu seinem Eimer, aus dessen Tiefen ein einzelner Fisch aufsteigt. Und sein Mund formt sich zu einem kleinen O. O, O, O – und Stan hört irgendwo in seinem Kopf eine Stimme.
Meine Gefährten , weint der Fisch.
„Deine Gefährten!“, sagt Stan. „Wo sind sie?“
Der Fisch schwimmt zur Seite und wendet das Gesicht ab. Sie wurden mir genommen!
„Genommen? Was meinst du damit? Von wem genommen?“
Aber er bekommt keine Antwort. Der Fisch schwimmt zum Boden des Eimers und schweigt voller Trauer.
Von draußen ertönt ein Schrei. Ein Schrei fürchterlicher Freude, ein Schrei des Triumphs.
„Ja! JA! JA! JA!“
„Oh nein!“, ruft Annie.
„JA!“ , schreit Ernie.
Stan steht auf und öffnet die Tür.
Sein Onkel steht vor ihm. „Hier ist es!“, schreit er. „Unser neues Produkt!“
Und er zeigt ihm eine winzige Dose mit großen goldenen Buchstaben darauf: Potts’ großartig glitzernder Goldfisch .
Elf
Was würdet ihr tun? Würdet ihr vor Freude einen Luftsprung machen, weil euer Onkel so clever ist? Würdet ihr euch auf ihn stürzen und ihn grün und blau schlagen? Würdet ihr sagen: „Ich vergebe dir, Onkel Ernie. Ich weiß, dass du die besten Absichten hattest, obwohl deine Tat durch und durch verabscheuungswürdig ist.“ Würdet ihr mit den Fäusten auf den Boden einhämmern? Würdet ihr vor Schmerz laut schreien, vor Wut heulen? Würdet ihr mit dem Fuß aufstampfen, zischen, knurren und spucken?
Und Stan? Stan tat nichts dergleichen. Der entsetzliche Anblick der Dose versteinerte ihn. Er konnte sich weder rühren noch sprechen. Ernie hielt die Dose in seiner hohlen Hand und murmelte etwas von „goldener Zukunft“. Stans Augen verschleierten sich, als sein Onkel von Supermarktregalen voller Dosen mit Gourmet-Goldfisch redete, aus der Fabrik von Ernest Potts. Er redete von eleganten Abendgesellschaften im Hotel Ritz, auf denen Potts’ großartig glitzernder Goldfisch gespeist wurde.
Annie ging zu ihrem Neffen. Sie wollte ihn an ihre Brust ziehen, aber er konnte sich nicht rühren. Er war zur Salzsäule erstarrt. Sein Herz klopfte im Rhythmus der klagenden Worte des dreizehnten Fischs: Meine Gefährten! Meine Gefährten! Oh, meine armen Gefährten!
Dann blinzelte Stan. Er hustete, bückte sich und hob den Eimer hoch.
„Ich mach mal einen Spaziergang, Tante Annie“, sagte er.
„Einen Spaziergang?“
„Ja, einen Spaziergang.“
Ernie lächelte. „Gute Idee, mein Junge“, sagte er. „Beweg deine Beine. Krieg einen klaren Kopf. Schnapp ein bisschen frische Luft.“ Er zwinkerte Annie zu. „Siehst du?“, sagte er. „Er kommt schon drüber weg, nicht wahr, mein Junge?“
Ernie trat beiseite, als Stan an ihm vorbeiging. Er streckte die Hand aus und wollte Stan durch die Haare strubbeln. Stan drehte sich zu ihm um.
„Bitte mach das nicht“, sagte er leise. Er öffnete die Haustür.
„Stan?“, rief Annie. „Stan?“
„Mir geht’s gut“, sagte Stan.
„Siehst du?“, sagte Ernie. „Lass dem Jungen ein bisschen Zeit. Das braucht er jetzt.“ Dann hatte er eine Idee: „He, Stan! Du könntest noch mal zum Jahrmarkt gehen. Schau doch, ob du noch mehr von diesen kleinen Goldstücken für mich auftreibst! Zwei Tonnen oder so wären für den Anfang nicht schlecht! Ha-ha-ha-ha-ha-ha-ha! Goldfisch in Dosen! Wer interessiert sich jetzt noch für Sardinen? Oder Thunfisch? Oder Anchovis? Goldiger Goldfisch in Dosen! Ich bin ein Wunder! Ich bin ein Fisch-Genie! Ruhm und Reichtum warten auf uns … Ha-ha! Ha-ha-ha-ha-ha-ha!“
Stan drehte sich um, warf einen letzten Blick auf seinen Onkel und seine Tante und ging davon.
Zwölf
Annie stand im Türrahmen und rief Stans Namen, während er die Straße entlangging. Sollte sie ihrem trauernden Neffen folgen? Oder sollte sie ins Haus gehen und versuchen ihren Mann zu beruhigen? Zögernd blieb sie auf der Schwelle stehen. Doch andere Augen folgten Stan, und zwar die
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