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Der Junge, der Ripley folgte (German Edition)

Der Junge, der Ripley folgte (German Edition)

Titel: Der Junge, der Ripley folgte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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der Wind?
    Vermutlich spielte Frank ihm erneut einen Streich, wie auf dem Waldweg hinter Belle Ombre, und wartete darauf, daß er ihn suchte. Tom hatte keine Lust, sich durch die Büsche zu schlagen, durch das Gestrüpp, das ihm die Hosenaufschläge zerreißen würde. Der Junge mußte in Hörweite sein, also schrie er: »Okay, Ben, Schluß mit dem Unsinn! Gehen wir.«
    Stille.
    Tom mußte schlucken; etwas schnürte ihm plötzlich die Kehle zu. Wovor hatte er Angst? Er wußte es nicht genau.
    Auf einmal rannte er los, weil er meinte, zur Linken Zweige rascheln zu hören. »Ben!«
    Keine Antwort. Tom lief weiter, blieb einmal nur stehen, warf einen Blick zurück in den tiefen, dichten Wald – niemand zu sehen – und stürmte weiter. »Ben?«
    Dann stand er unvermittelt auf einer Schotterstraße und lief auf ihr weiter nach links. Kurz darauf kam eine Rechtskurve – sollte er auf der Straße bleiben oder umkehren? Die Neugier trieb ihn voran, und er beschloß, während er dahintrottete, langsamer nun, daß er es noch einmal im Wald versuchen würde, falls er den Jungen auf dem nächsten Wegstück nicht finden sollte. Ob Frank noch einmal weglaufen wollte? Etwas so Dummes würde er nicht tun, dachte Tom – und wo sollte er hin, ohne den Paß, der im Hotel lag? Oder war er entführt worden?
    Vor ihm, auf einer kleinen Lichtung, die von der Straßenböschung leicht abfiel, hatte er plötzlich die Antwort vor sich: ein dunkelblauer Wagen, ihm frontal zugewandt, beide Vordertüren weit offen. Im selben Moment heulte der Motor auf, und der Fahrer schlug die Tür zu. Ein zweiter Mann kam hinter dem Auto hervorgelaufen, wollte schon neben ihm einsteigen, erblickte Tom und blieb stehen – eine Hand an der Tür, die andere griff in die Jacke.
    Kein Zweifel, sie hatten Frank. Tom ging auf sie zu: »Was zum Teufel macht ihr –«
    Er starrte in die Mündung einer schwarzen Pistole, die aus etwa fünf Metern genau auf ihn zielte. Der Mann hielt die Waffe mit beiden Händen, dann glitt er in den Wagen, zog die Tür zu, und das Auto setzte zurück. Tom sah das Kennzeichen: B – RW 778, der Fahrer war dunkelblond, der Mann mit der Pistole kräftig gebaut, glattes schwarzes Haar, Schnurrbart. Und beide hatten ihn sicher genau gesehen.
    Das Auto fuhr davon, nicht einmal besonders schnell. Er hätte hinterherrennen können, doch wozu? Für einen Bauchschuß? Was war schon eine Kleinigkeit wie Tom Ripleys Tod gegen das Leben eines Jungen, der mehrere Millionen Dollar wert war? Ob Frank geknebelt im Kofferraum lag? Oder hatten sie ihn bewußtlos geschlagen? Hatte da nicht noch ein dritter Mann hinten im Wagen gesessen? Tom war sich fast sicher.
    All das ging ihm durch den Kopf, bevor der Audi um die nächste Kurve im Wald verschwand.
    Tom hatte einen Kugelschreiber dabei, aber kein Papier. Er holte seine Zigaretten hervor (Roth-Händle), streifte das Zellophan ab und notierte das Kennzeichen auf der rosa Schachtel, bevor er es vergaß. Er dachte, sie könnten den Wagen stehenlassen oder das Nummernschild austauschen, da er es gesehen hatte. Womöglich hatten sie das Auto auch nur für die Entführung gestohlen.
    Dann war da noch die unangenehme Möglichkeit, daß sie ihn erkannt haben könnten. Unter Umständen waren sie Frank und ihm spätestens seit gestern gefolgt. Hätten sie Interesse daran, ihn auszuschalten? Fünfzig zu fünfzig, dachte Tom. Im Moment konnte er wirklich nicht klar denken; seine Hand hatte gezittert, als er das Kennzeichen aufschrieb. Natürlich waren das Stimmen gewesen, die er im Wald gehört hatte! Die Entführer hatten sich vermutlich dem Jungen genähert und ihn vielleicht etwas Unverfängliches gefragt.
    Am besten blieb er keinen Tag länger in der Stadt. Tom arbeitete sich wieder durch das unangenehm dichte Unterholz und nahm eine Abkürzung zum Waldweg. Er fürchtete, die Entführer könnten es sich anders überlegen, die Straße zurückfahren und auf ihn schießen.

11
     
    Tom ging den Feldweg zurück, den er mit dem Jungen zum Trümmerberg genommen hatte, und mußte ärgerliche zwanzig Minuten lang auf ein Taxi warten. Auch dann kam nur zufällig eines vorbei, denn die meisten Besucher des Grunewalds hatten eigene Autos. Er nannte dem Fahrer das Hotel Franke in der Albrecht-Achilles-Straße.
    Wäre es nicht toll, wie Frank oft sagte, wenn der Junge wieder im Hotelzimmer säße, ihm erneut einen Streich gespielt hätte und wenn die Männer mit dem Wagen und der Pistole, die er gesehen hatte, eine

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