Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Junge, der Ripley folgte (German Edition)

Der Junge, der Ripley folgte (German Edition)

Titel: Der Junge, der Ripley folgte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
Vom Netzwerk:
im Blick und konnte bei der nächsten Linkskurve im Scheinwerferlicht eines entgegenkommenden Autos die Farbe des Wagens ausmachen: ein rostiges Rot.
    »Dunkelrot – das ist der Wagen!«
    »Sie kennen ihn?«
    »Der war in Lübars!«
    Sie folgten dem Wagen noch fünf Minuten (so lang kam es Tom vor, der Peter die ganze Zeit dirigierte; vielleicht war es nur halb so lang), der noch zweimal abbog, bis er vor einem Parkplatz links an einer Straße mit mehrstöckigen Mietshäusern abbremste. Um diese Zeit waren fast alle Fenster dunkel.
    »Hier halten und ein Stück zurücksetzen, ja?« sagte Tom schnell. Er wollte sehen, welches Haus sie betraten und dann, wenn möglich, in welchem Stock das Licht anging. Hier fanden sich wieder die häßlichen Mietshäuser der unteren Mittelschicht, die von den Bomben des Zweiten Weltkriegs verschont geblieben waren. Dank der hellbraunen Jacke konnte Tom vor dem dunkleren Hintergrund einen undeutlichen Schatten ausmachen, der die Stufen vor einer Haustür nahm. Der Mann verschwand im Haus.
    »Bitte noch drei Meter weiter, Peter.«
    Als Peter vorrollte, sah Tom, wie im zweiten Stock ein Licht heller wurde und ein anderes im ersten Stock erlosch. Ein Zeitschalter? Die Treppenhausbeleuchtung? Links im zweiten Stock wurde es jetzt heller, während rechts im ersten Stock das Licht genausohell weiterbrannte. Tom tastete unten in der Handtasche im Durcheinander von Münzen und Scheinen herum, bis er den Schlüssel fand, den er dem Italiener abgenommen hatte.
    »Gut, Peter, hier können Sie mich absetzen«, sagte er.
    »Soll ich warten?« flüsterte der Deutsche. »Was haben Sie vor?«
    »Weiß ich noch nicht genau.« Peters Wagen stand rechts an der Straße, hinter einer Reihe geparkter Autos, wo er niemandem im Weg war. Eine Viertelstunde könnte Peter hier stehenbleiben, aber Tom wußte nicht, wie lange er brauchen würde, und wollte den anderen nicht in Lebensgefahr bringen – für den Fall, daß einige Entführer später aus dem Haus hinter ihm herstürmen und auf ihn schießen würden und Peter dann versuchen sollte, ihn ins Auto zu zerren. Tom malte sich manchmal den schlimmsten Unsinn aus, das wußte er. Würde der Schlüssel des Italieners die Haustür oder die Wohnungstür öffnen? Oder keine von beiden? Tom sah sich draußen vor der Tür ein halbes Dutzend Klingeln drücken, bis ihn ein Unbeteiligter, keiner der Kidnapper, ins Haus ließ. »Ich will sie nur erschrecken«, sagte er, mit den Fingerspitzen auf den Türgriff trommelnd.
    »Soll ich nicht lieber die Polizei rufen? Jetzt gleich oder in fünf Minuten?«
    »Nein.« Tom würde alles daransetzen, den Jungen da herauszuholen, und ob er es schaffte oder scheiterte, er mußte es tun, bevor die Polizei eintraf (rechtzeitig oder zu spät), denn sonst würde er mit in die Sache hineingezogen, und das wollte er nicht. »Die Polizei weiß nichts davon, und so soll es auch bleiben.« Tom stieß die Beifahrertür auf. »Warten Sie nicht, und ziehen Sie die Tür erst zu, wenn Sie weiter weg sind.« Er drückte die Tür hinter sich sanft ins Schloß, so daß sie nur leise klickte.
    Eine Frau in einem hellen Kleid kam ihm auf dem Gehweg entgegen, sah ihn erstaunt an und ging weiter.
    Peters Wagen glitt vorwärts, ins Dunkle, in Sicherheit. Tom hörte die Beifahrertür zuschlagen. Er konzentrierte sich darauf, die wenigen Eingangsstufen auf seinen hohen Absätzen zu bewältigen, und raffte das lange Kleid eine Handbreit, damit er nicht stolperte. Hinter der ersten Haustür stand er vor einer Tafel mit mindestens zehn Klingeln. Die meisten Namen auf den Schildern waren kaum lesbar, nicht überall stand die Wohnungsnummer dabei. Entmutigend, dachte Tom, denn hätte er Nummer 2a oder 2b gefunden, hätte er vielleicht gewagt zu klingeln. Das Licht, das er gesehen hatte, war nach europäischer Zählweise im zweiten, nach amerikanischer im dritten Stock angegangen. Tom steckte den Schlüssel in seiner Hand, eine Art Sicherheitsschlüssel, in das Schloß der zweiten Tür. Er paßte, die Tür ging auf. Tom erschrak. Womöglich hatte jeder der Bande einen solchen Hausschlüssel, und in der Wohnung war immer jemand, um aufzumachen. Welche Wohnung jetzt? Tom drückte auf den Zeitschalter und sah im Licht eine braune, unansehnliche, nicht gebohnerte Holztreppe und zwei geschlossene Türen vor sich, eine auf jeder Seite.
    Er steckte den Schlüssel in die Handtasche, tastete nach der Pistole, entsicherte sie, ließ sie aber in der Tasche. Dann raffte er

Weitere Kostenlose Bücher