Der Junge, der Träume schenkte
dass sie es versuchen musste, dass sie nicht aus Angst in ihrem Käfig verenden würde.
Einer der Theaterdiener stellte sich ihr in den Weg.
Ruth wusste nur, dass sie Christmas gehörte, ihm vom ersten Augenblick an gehört hatte.
»Abdunkeln«, sagte der Inspizient.
Der Zuschauerraum versank im Halbdunkel. Alle, die noch gestanden hatten, nahmen nun Platz. Das Stimmengewirr legte sich, bis nur noch ein undeutliches, aufgeregtes Gemurmel zu hören war.
Hinten im Zuschauerraum hatten die Diener die Samtvorhänge vor den Eingängen zugezogen, zwischen denen Christmas mit geschlossenen Augen an der Wand lehnte. Sein ganzes Leben zog an ihm vorbei. Flüchtig. Unvollendet.
»Sie dürfen da nicht rein«, hörte er eine Stimme vor dem Eingang zu seiner Linken. Dann Gepolter. Eine Reihe undeutlicher Geräusche.
Christmas schlug die Augen auf.
Zu seiner Linken raschelte es; entschlossen wurde der Vorhang zur Seite geschoben.
Er sah ein smaragdgrünes Seidenkleid.
»Miss, Sie dürfen da nicht rein«, sagte die Stimme erneut.
Christmas blickte auf. Ruth war wunderschön. Sie leuchtete von innen. Und sie sah ihn an. In ihren smaragdgrünen Augen lag ein strahlender Glanz.
Christmas öffnete leicht den Mund. Vollkommenheit, Sinn, ging es ihm durch den Kopf. Von heftigen, unerwarteten Emotionen überwältigt, war er wie gelähmt. Alles, was er schaffte, war, dem Diener, der Ruth festhielt, mit dem Arm ein Zeichen zu geben.
Der Theaterdiener trat einen Schritt zurück.
Ruth sah Christmas an und rührte sich nicht.
»Licht aus«, sagte der Inspizient.
Die Lichtschalter knisterten.
Dunkelheit legte sich über das Theater.
Das Publikum verstummte. Gespannte, flimmernde Stille herrschte im Saal.
Der Diener schob den Vorhang zur Seite und verließ den Zuschauerraum. Und im schmalen Lichtschein sah Christmas, wie Ruths Hände sich beinahe gleichzeitig öffneten. Mantel und Koffer fielen zu Boden.
Ein Mann in der letzten Reihe drehte sich um. »Ruhe«, zischte er.
Christmas lächelte. Und in der Stille hörte er Ruth näher kommen.
»Ich bin zurück«, sagte sie.
Christmas konnte ihr Parfüm riechen.
Rauschend hob sich der Vorhang.
Christmas ergriff Ruths Hand.
Und in dem Augenblick ertönte von der Bühne eine Stimme: »Guten Abend, New York.«
Danksagungen
Zunächst möchte ich Marco Cohen und Fabrizio Donvito danken, weil sie mir einen Blick durch die Lupe, mit der sie die Welt betrachten, ermöglicht haben und so auch ich alles sehr viel größer wahrnehmen durfte. Und Gabriele Muccino, der mir die außergewöhnliche Chance gibt, den Ozean zu überqueren und der abenteuerlichen Reise unserer Vorfahren in der Fantasie nachzuspüren.
Mein Dank geht an Roberto Minutillo Turtur, der über mich wacht und mich mit sicherer Hand leitet. An Maurizio Millenotti, der es mir mit seiner Kunst ermöglicht hat, meine Figuren einzukleiden. An Peter Davies mit seiner unstillbaren Neugier, der mir gezeigt hat, wie seine Stadt einst war. Und an Emanuela Canali, die meiner Stimme unzählige, mir unbekannte Sprachen verleiht. Und an Barbara Gatti für ihre Professionalität und ihre Geduld.
Danke an Silvana Fuga, die mich seit Jahr und Tag unterstützt und mich mit ihrer rauen, faszinierenden Stimme in Begeisterung versetzt. Und an Sole Ferlisi für ihre berührenden und leidenschaftlichen Anmerkungen.
Außerdem danke ich Silvio Muccino, der mir gezeigt hat, wie die Sonne beschaffen ist, die ich meinem Protagonisten mitgegeben habe. Und Vincenzo Salemme, der meine hoffnungslose Unsicherheit mit seiner Freundschaft und Wertschätzung therapiert.
Danke an meinen Helden David Bowie für den Titel Diamond Dogs , den ich mir für meine Gang geborgt habe.
Und schließlich geht mein Dank an dich, Carla. Wenn es dich nicht gäbe, würde ich schlicht nicht existieren.
Luca Di Fulvio , geb. 1957, lebt und arbeitet als freier Schriftsteller in Rom. Ehe er sich dem Schreiben widmete, studierte er Dramaturgie bei Andrea Camilleri an der Accademia Nazionale d’Arte Drammatica Silvio D’Amico. DER JUNGE, DER TRÄUME SCHENKTE ist sein vierter auf Deutsch erschienener Roman.
Weitere Kostenlose Bücher