Der junge Gelehrte
geschafft wuerde—
Damis . Nun wahrhaftig, das waere ein merkwuerdiges Exempel, in was fuer verderbliche Irrtuemer man verfallen kann, wenn man nicht weiss, aus welcher Disziplin diese oder jene Wahrheit zu entscheiden ist. Die Pruegel, die ein Bedienter von seinem Herrn bekommt, gehoeren nicht in das Recht der Natur, sondern in das buergerliche Recht. Wenn sich ein Bedienter vermietet, so vermietet er auch seinen Buckel mit. Diesen Grundsatz merke dir.
Anton . Aus dem buergerlichen Rechte ist er? O das muss ein garstiges Recht sein. Aber ich sehe es nun schon! die verzweifelte Gelehrsamkeit, sie kann ebenso leicht zu Pruegeln verhelfen als dafuer schuetzen.
Was wollte ich nicht darum geben, wenn ich mich auf alle ihre waechserne Nasen so gut verstuende als Sie—O Herr Damis, erbarmen Sie sich meiner Dummheit!
Damis . Nun wohl, wenn es dein Ernst ist, so greife das Werk an. Es erfreut mich, der Gelehrsamkeit durch mein Exempel einen Proselyten gemacht zu haben. Ich will dich redlich mit meinem Rate und meinen Lehren unterstuetzen. Bringst du es zu etwas, so verspreche ich dir, dich in die gelehrte Welt selbst einzufuehren und mit einem besondern Werke dich ihr anzukuendigen. Vielleicht ergreife ich die Gelegenheit, etwas de Eruditis sero ad literas admissis oder de Opsimathia oder auch de studio senili zu schreiben, und so wirst du auf einmal beruehmt. —Doch lass einmal sehen, ob ich mir von deiner Lehrbegierde viel zu versprechen habe? Welch Buch hattest du vorhin in Haenden?
Anton . Es war ein ganz kleines—
Damis . Welches denn?—
Vierter Auftritt
28
Der junge Gelehrte
Anton . Es war so allerliebst eingebunden, mit Golde auf dem Ruecken und auf dem Schnitte. Wo legte ich's doch hin? Da! da!
Damis . Das hattest du? das?
Anton . Ja, das!
Damis . Das?
Anton . Bin ich an das unrechte gekommen? weil es so huebsch klein war—
Damis . Ich haette dir selbst kein bessres vorschlagen koennen.
Anton . Das dacht' ich wohl, dass es ein schoen Buch sein muesse. Wuerde es wohl sonst einen so schoenen Rock haben?
Damis . Es ist ein Buch, das seinesgleichen nicht hat. Ich habe es selbst geschrieben. Siehst du?—Auctore Damide!
Anton . Sie selbst? Nu, nu, habe ich's doch immer gehoert, dass man die leiblichen Kinder besser in Kleidung haelt als die Stiefkinder. Das zeugt von der vaeterlichen Liebe.
Damis . Ich habe mich in diesem Buche, so zu reden, selbst uebertroffen. Sooft ich es wieder lese, sooft lerne ich auch etwas Neues daraus.
Anton . Aus Ihrem eignen Buche?
Damis . Wundert dich das?—Ach verdammt! nun erinnere ich mich erst: mein Gott, das arme Maedchen! Sie wird doch nicht noch in dem Kabinette stecken (Er geht darauf los.) Anton . Um Gottes willen, wo wollen Sie hin?
Damis . Was fehlt dir? ins Kabinett. Hast du Lisetten gesehen?
Anton . Nun bin ich verloren!—Nein, Herr Damis, nein; so wahr ich lebe, sie ist nicht drinne.
Damis . Du hast sie also sehen herausgehen? Ist sie schon lange fort?
Anton . Ich habe sie, so wahr ich ehrlich bin, nicht sehen hereingehen. Sie ist nicht drinne; glauben Sie mir nur, sie ist nicht drinne—
Fuenfter Auftritt
Lisette . Damis. Anton.
Lisette . Allerdings ist sie noch drinne—
Anton . O das Rabenaas!
Damis . So lange hat Sie sich hier versteckt gehalten? Arme Lisette! das war mein Wille gar nicht. Sobald mein Vater aus der Stube gewesen waere, haette Sie immer wieder herausgehen koennen.
Fuenfter Auftritt
29
Der junge Gelehrte
Lisette . Ich wusste doch nicht, ob ich recht taete. Ich wollte also lieber warten, bis mich der, der mich versteckt hatte, selbst wieder hervorkommen hiess—
Anton . Zum Henker, von was fuer einem Verstecken reden die? (Sachte zu Lisetten.) So, du feines Tierchen?
hat dich mein Herr selbst schon einmal versteckt? Nun weiss ich doch, wie ich die gestrige Ohrfeige auslegen soll. Du Falsche!
Lisette . Schweig; sage nicht ein Wort, dass ich zuvor bei dir gewesen bin, oder—du weisst schon—
Damis . Was schwatzt ihr denn beide da zusammen? Darf ich es nicht hoeren?
Lisette . Es war nichts; ich sagte ihm bloss, er solle heruntergehen, dass, wenn meine Jungfer nach mir fragte, er unterdessen sagen koennte, ich sei ausgegangen. Juliane ist misstrauisch; sie suchte mich doch wohl hier, wenn sie mich brauchte.
Damis . Das ist vernuenftig. Gleich, Anton, geh!
Anton . Das verlangst du im Ernste, Lisette?
Lisette . Freilich; fort, lass uns allein.
Damis . Wirst du bald gehen?
Anton . Bedenken Sie doch selbst, Herr
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