Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der junge Gelehrte

Der junge Gelehrte

Titel: Der junge Gelehrte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gotthold Ephraim Lessing
Vom Netzwerk:
Ich habe hier eben die neuste Zeitung. Sie haben sich die Koepfe wacker gewaschen. Doch die Alliierten, ich bin in der Tat recht boese auf sie. Haben sie nicht wieder einen wunderbaren Streich gemacht!—
    Anton . Nun, da reden alle drei etwas anders! Der spricht von der Liebe; der von seinen Abhandlungen; der vom Kriege. Wenn ich auch etwas Besonders reden soll, so werde ich vom Abendessen reden. Vom Mittage an bis auf den Abend um sechs Uhr zu fasten sind keine Narrenspossen.
    Valer . Unglueckliche Liebe!
    Damis . Die unbesonnene Akademie!
    Chrysander . Die dummen Alliierten!
    Anton . Die vierte Stimme fehlt noch: die langsamen Bratenwender!
    Funfzehnter Auftritt
    Lisette . Damis. Valer. Chrysander. Anton.
    Lisette . Nun, Herr Chrysander? ich glaubte, Sie haetten die Herren zu Tische rufen wollen? Ich sehe aber, Sie wollen selbst gerufen sein. Es ist schon aufgetragen.
    Anton . Das war die hoechste Zeit! dem Himmel sei Dank!
    Chrysander . Es ist wahr; es ist wahr; ich haette es bald vergessen. Der Zeitungsmann hielt mich auf der Treppe auf. Kommen Sie, Herr Valer; wir wollen die jetzigen Staatsgeschaefte ein wenig miteinander bei einem Glaeschen ueberlegen. Schlagen Sie sich Julianen aus dem Kopfe. Und du, mein Sohn, du magst mit deiner Braut schwatzen. Du wirst gewiss eine wackre Frau an ihr haben; nicht so eine Xanthippe wie—
    Damis . Xanthippe? wie verstehen Sie das? Sind Sie etwa auch noch in dem poebelhaften Vorurteile, dass Xanthippe eine boese Frau gewesen sei?
    Chrysander . Willst du sie etwa fuer eine gute halten? Du wirst doch nicht die Xanthippe verteidigen? Pfui!
    das heisst einen Abc−Schnitzer machen. Ich glaube, ihr Gelehrten, je mehr ihr lernt, je mehr vergesst ihr.
    Damis . Ich behaupte aber, dass man kein einzig tuechtiges Zeugnis fuer Ihre Meinung anfuehren kann. Das ist das erste, was die ganze Sache verdaechtig macht; und zum andern—
    Lisette . Das ewige Geplaudre!
    Chrysander . Lisette hat recht! Mein Sohn, contra principia negantem, non est disputandum. Kommt!
    Kommt!
    (Chrysander, Damis und Anton gehen ab .)
    Funfzehnter Auftritt
    39
    Der junge Gelehrte
    Valer . Nun ist alles fuer mich verloren, Lisette. Was soll ich anfangen?
    Lisette . Ich weiss keinen Rat; wann nicht der Brief—
    Valer . Dieser Betrug waere zu arg, und Juliane will ihn nicht zugeben.
    Lisette . Ei, was Betrug? Wenn der Betrug nuetzlich ist, so ist er auch erlaubt. Ich sehe es wohl, ich werde es selbst tun muessen. Kommen Sie nur fort, und fassen Sie wieder Mut.
    Dritter Aufzug
    Erster Auftritt
    Lisette . Anton.
    Lisette . So warte doch, Anton.
    Anton . Ei, lass mich zufrieden. Ich mag mit dir nichts zu tun haben.
    Lisette . Wollen wir uns also nicht wieder versoehnen? Willst du nicht tun, was ich dich gebeten habe?
    Anton . Dir sollte ich etwas zu Gefallen tun?
    Lisette . Anton, lieber Anton, goldner Anton, tu es immer. Wie leicht kannst du nicht dem Alten den Brief geben und ihm sagen, der Posttraeger habe ihn gebracht?
    Anton . Geh! du Schlange! Wie sie nun schmeicheln kann!—Halte mich nicht auf. Ich soll meinem Herrn ein Buch bringen. Lass mich gehen.
    Lisette . Deinem Herrn ein Buch? Was will er denn mit dem Buche bei Tische?
    Anton . Die Zeit wird ihm lang; und will er nicht muessige Weile haben, so muss er sich doch wohl etwas zu tun machen.
    Lisette . Die Zeit wird ihm lang? bei Tische? Wenn es noch in der Kirche waere. Reden sie denn nichts?
    Anton . Nicht ein Wort. Ich bin ein Schelm, wenn es auf einem Totenmahle so stille zugehen kann.
    Lisette . Wenigstens wird der Alte reden.
    Anton . Der redt, ohne zu reden. Er isst und redt zugleich; und ich glaube, er gaebe wer weiss was darum, wenn er noch dazu trinken koennte, und das alles dreies auf einmal. Das Zeitungsblatt liegt neben dem Teller; das eine Auge sieht auf den und das andre auf jenes. Mit dem einen Backen kaut er, und mit dem andern redt er. Da kann es freilich nun nicht anders sein, die Worte muessen auf dem Gekauten sitzenbleiben, sodass man ihn mit genauer Not noch murmeln hoert.
    Lisette . Was machen aber die uebrigen?
    Anton . Die uebrigen? Valer und Juliane sind wie halb tot. Sie essen nicht und reden nicht; sie sehen einander an; sie seufzen; sie schlagen die Augen nieder; sie schielen bald nach dem Vater, bald nach dem Sohne; sie Dritter Aufzug
    40
    Der junge Gelehrte
    werden weiss; sie werden rot. Der Zorn und die Verzweiflung sieht beiden aus den Augen.—Aber juchhe! so recht! Siehst du, dass es nicht nach deinem Kopfe gehen muss? Mein

Weitere Kostenlose Bücher