Der junge Gelehrte
vermehren. Dieser Vorsatz ist nicht von heute.
Anton . Nein, wahrhaftig!—Was aber der Teufel nicht tun kann! Wer haette es sich jetzt sollen traeumen lassen, jetzt da es Ernst werden soll? Ich muss lachen; Lisette wollte ihn von der Heirat abziehen und hat ihm nur mehr dazu beredt; und ich, ich wollte ihn dazu bereden und haette ihn bald davon abgezogen.
Damis . Einmal soll geheiratet sein. Auf eine recht gute Frau darf ich mir nicht Rechnung machen; also waehle ich mir eine recht schlimme. Eine Frau von der gemeinen Art, die weder kalt noch warm, weder recht gut noch recht schlimm ist, taugt fuer einen Gelehrten nichts, ganz und gar nichts! Wer wird sich nach seinem Tode um sie bekuemmern? Gleichwohl verdient er es doch, dass sein ganzes Haus mit ihm unsterblich bleibe.
Kann ich keine Frau haben, die einmal ihren Platz in einer Abhandlung de bonis Eruditorum uxoribus findet, so will ich wenigstens eine haben, mit welcher ein fleissiger Mann seine Sammlung de malis Eruditorum uxoribus vermehren kann. Ja, ja; ich bin es ohnehin meinem Vater, als der einzige Sohn, schuldig, auf die Erhaltung seines Namens mit der aeussersten Sorgfalt bedacht zu sein.
Lisette . Kaum kann ich mich von meinem Erstaunen erholen—Ich habe Sie, Herr Damis, fuer einen so grossen Geist gehalten—
Damis . Und das nicht mit Unrecht. Doch eben hierdurch glaube ich den staerksten Beweis davon zu geben.
Lisette . Ich moechte platzen!—Ja, ja, den staerksten Beweis, dass niemand schwerer zu fangen ist als ein junger Gelehrter; nicht sowohl wegen seiner Einsicht und Verschlagenheit als wegen seiner Narrheit.
Damis . Wie, so naseweis, Lisette? Ein junger Gelehrter?—ein junger Gelehrter?—
Lisette . Ich will Ihnen die Verweise ersparen. Valer soll gleich von allem Nachricht bekommen. Ich bin Ihre Dienerin.
Zwoelfter Auftritt
Anton . Damis.
Anton . Da sehen Sie! Nun laeuft sie fort, da Sie nach ihrer Pfeife nicht tanzen wollen.—
Damis . Mulier non Homo! bald werde ich auch dieses Paradoxon fuer wahr halten. Wodurch zeigt man, dass man ein Mensch ist? Durch den Verstand. Wodurch zeigt man, dass man Verstand hat? Wann man die Gelehrten und die Gelehrsamkeit gehoerig zu schaetzen weiss. Dieses kann kein Weibsbild, und also hat es keinen Verstand, und also ist es kein Mensch. Ja, wahrhaftig ja; in diesem Paradoxo liegt mehr Wahrheit als in zwanzig Lehrbuechern.
Anton . Wie ist mir denn? Ich habe Ihnen doch gesagt, dass Sie Herr Valer gesucht hat? Wollen Sie nicht gehen und ihn sprechen?
Zwoelfter Auftritt
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Der junge Gelehrte
Damis . Valer? ich will ihn erwarten. Die Zeiten sind vorbei, da ich ihn hochschaetzte. Er hat seit einigen Jahren die Buecher beiseite gelegt; er hat sich das Vorurteil in den Kopf setzen lassen, dass man sich vollends durch den Umgang und durch die Kenntnis der Welt geschickt machen muesse, dem Staate nuetzliche Dienste zu leisten. Was kann ich mehr tun als ihn bedauern? Doch ja, endlich werde ich mich auch seiner schaemen muessen. Ich werde mich schaemen muessen, dass ich ihn ehemals meiner Freundschaft wert geschaetzt habe.
O wie ekel muss man in der Freundschaft sein! Doch was hat geholfen, dass ich es bis auf den hoechsten Grad gewesen bin? Umsonst habe ich mich vor der Bekanntschaft aller mittelmaessigen Koepfe gehuetet; umsonst habe ich mich bestrebt, nur mit Genies, nur mit originellen Geistern umzugehen: dennoch musste mich Valer, unter der Larve eines solchen, hintergehen. O Valer! Valer!
Anton . Laut genug, wenn er es hoeren soll.
Damis . Ich haette ueber sein kaltsinniges Kompliment bersten moegen! Von was unterhielt er mich? von nichtswuerdigen Kleinigkeiten. Und gleichwohl kam er von Berlin, und gleichwohl haette er mir die allerangenehmste Neuigkeit zuerst berichten koennen. O Valer! Valer!
Anton . St! wahrhaftig er koemmt. Sehen Sie, dass er sich nicht dreimal rufen laesst?
Dreizehnter Auftritt
Damis . Valer. Anton.
Valer . Verzeihen Sie, liebster Freund, dass ich Sie in Ihrer gelehrten Ruhe stoere—
Anton . Wenn er doch gleich sagte, Faulheit.
Damis . Stoeren? Ich sollte glauben, dass Sie mich zu stoeren kaemen? Nein, Valer, ich kenne Sie zu wohl; Sie kommen, mir die angenehmsten Neuigkeiten zu hinterbringen, die der Aufmerksamkeit eines Gelehrten, der seine Belohnung erwartet, wuerdig sind.—Einen Stuhl, Anton! —Setzen Sie sich.
Valer . Sie irren sich, liebster Freund. Ich komme, Ihnen die Unbestaendigkeit Ihres Vaters zu klagen; ich komme, eine Erklaerung von Ihnen zu
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