Der junge Gelehrte
Herr soll Julianen haben, und wenn—
Lisette . Ja, dein Herr! Was macht aber der?
Anton . Lauter dumme Streiche. Er kritzelt mit der Gabel auf dem Teller; haengt den Kopf; bewegt das Maul, als ob er mit sich selbst redte; wackelt mit dem Stuhle; stoesst einmal ein Weinglas um; laesst es liegen; tut, als wenn er nichts merkte, bis ihm der Wein auf die Kleider laufen will; nun faehrt er auf und spricht wohl gar, ich haette es umgegossen.—Doch genug geplaudert; er wird auf mich fluchen, wo ich ihm das Buch nicht bald bringe. Ich muss es doch suchen. Auf dem Tische, zur rechten Hand, soll es liegen. Ja zur rechten Hand; welche rechte Hand meint er denn? Trete ich so, so ist das die rechte Hand; trete ich so, so ist sie das; trete ich so, so ist sie das; und das wird sie, wenn ich so trete. (Tritt an alle vier Seiten des Tisches.) Sage mir doch, Lisette, welches ist denn die rechte rechte Hand?
Lisette . Das weiss ich so wenig als du. Schade auf das Buch; er mag es selbst holen. Aber Anton, wir vergessen das Wichtigste; den Brief—
Anton . Koemmst du mir schon wieder mit deinem Briefe? Denkt doch; deinetwegen soll ich meinen Herrn betruegen?
Lisette . Es soll aber dein Schade nicht sein.
Anton . So? ist es mein Schade nicht, wann ich das, was mir Chrysander versprochen hat, muss sitzenlassen?
Lisette . Dafuer aber verspricht dich Valer schadlos zu halten.
Anton . Wo verspricht er mir es denn?
Lisette . Wunderliche Haut! ich verspreche es dir an seiner Statt.
Anton . Und wenn du es auch an seiner Statt halten sollst, so werde ich viel bekommen. Nein, nein; ein Sperling in der Hand ist besser als eine Taube auf dem Dache.
Lisette . Wann du die Taube gewiss fangen kannst, so wird sie doch besser sein als der Sperling?
Anton . Gewiss fangen! als wenn sich alles fangen liesse! Nicht wahr, wann ich die Taube haschen will, so muss ich den Sperling aus der Hand fliegen lassen?
Lisette . So lass ihn fliegen.
Anton . Gut! und wann sich nun die Taube auch davonmacht? Nein, nein, Jungfer, so dumm ist Anton nicht.
Lisette . Was du fuer kindische Umstaende machst! Bedenke doch, wie gluecklich du sein kannst.
Anton . Wie denn? lass doch hoeren.
Lisette . Valer hat versprochen, mich auszustatten. Was sind so einem Kapitalisten tausend Taler?
Anton . Auf die machst du dir Rechnung?
Dritter Aufzug
41
Der junge Gelehrte
Lisette . Wenigstens. Dich wuerde er auch nicht leer ausgehen lassen, wann du mir behilflich waerest. Ich haette alsdenn Geld; du haettest auch Geld: koennten wir nicht ein allerliebstes Paar werden?
Anton . Wir? ein Paar? Wenn dich mein Herr nicht versteckt haette.
Lisette . Tust du nicht recht albern! Ich habe dir ja alles erzaehlt, was unter uns vorgegangen ist. Dein Herr, das Buecherwuermchen!
Anton . Ja, auch das sind verdammte Tiere, die Buecherwuermer. Es ist schon wahr, ein Maedel wie du, mit tausend Talern, die ist wenigstens tausend Taler wert; aber nur das Kabinett—das Kabinett—
Lisette . Hoere doch einmal auf, Anton, und lass dich nicht so lange bitten.
Anton . Warum willst du aber dem Alten den Brief nicht selbst geben?
Lisette . Ich habe dir ja gesagt, was darin steht. Wie leicht koennte Chrysander nicht argwoehnen—
Anton . Ja, ja, mein Aeffchen, ich merk es schon; du willst die Kastanien aus der Asche haben und brauchst Katzenpfoten dazu.
Lisette . Je nun, mein liebes Katerchen, tu es immer!
Anton . Wie sie es einem ans Herze legen kann! Liebes Katerchen! Gib nur her, den Brief; gib nur!
Lisette . Da, mein unvergleichlicher Anton—
Anton . Aber es hat doch mit der Ausstattung seine Richtigkeit?—
Lisette . Verlass dich drauf—
Anton . Und mit meiner Belohnung obendrein?—
Lisette . Desgleichen.
Anton . Nun wohl, der Brief ist uebergeben!
Lisette . Aber so bald als moeglich—
Anton . Wenn du willst, jetzt gleich. Komm!—Potz Stern! wer koemmt?—Zum Henker, es ist Damis.
Zweiter Auftritt
Damis . Anton. Lisette.
Damis . Wo bleibt denn der Schlingel mit dem Buche?
Anton . Ich wollte gleich, ich wollte—Lisette und—Kurz, ich kann es nicht finden, Herr Damis.
Damis . Nicht finden? Ich habe dir ja gesagt, auf welcher Hand es liegt.
Zweiter Auftritt
42
Der junge Gelehrte
Anton . Auf der rechten, haben Sie wohl gesagt; aber nicht auf welcher rechten? Und das wollte ich Sie gleich fragen kommen.
Damis . Dummkopf, kannst du nicht so viel erraten, dass ich von der Seite rede, an welcher ich sitze?
Anton . Es ist auch wahr, Lisette; und darueber haben
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