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Der junge Gelehrte

Der junge Gelehrte

Titel: Der junge Gelehrte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gotthold Ephraim Lessing
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wir uns den Kopf zerbrochen! Herr Damis ist doch immer klueger als wir! (Indem er ihm hinterwaerts einen Moench sticht.) Nun will ich es wohl finden. Weiss eingebunden, roten Schnitt, nicht? Gehen Sie nur, ich will es gleich bringen.
    Damis . Ja, nun ist es Zeit, da wir schon vom Tische aufgestanden sind.
    Anton . Schon aufgestanden? Zum Henker, ich bin noch nicht satt. Sind sie schon alle, alle aufgestanden?
    Damis . Mein Vater wird noch sitzen und die Zeitung auswendig lernen, damit er morgen in seinem Kraenzchen den Staatsmann spielen kann. Geh geschwind, wenn du glaubst, von seinen politischen Brocken satt zu werden. Was will aber Lisette hier?
    Lisette . Bin ich jetzt nicht ebensowohl zu leiden als vorhin?
    Damis . Nein, wahrhaftig nein. Vorhin glaubte ich, Lisette haette wenigstens so viel Verstand, dass ihr Plaudern auf eine Viertelstunde ertraeglich sein koennte; aber ich habe mich geirrt. Sie ist so dumm wie alle uebrige im Hause.
    Lisette . Ich habe die Ehre, mich im Namen aller uebrigen zu bedanken.
    Anton . Verzweifelt! das geht ja jetzt aus einem ganz andern Tone! Gott gebe, dass sie sich recht zanken! Aber zuhoeren mag ich nicht—Lisette, ich will immer gehen.
    Lisette (sachte) . Den Brief vergiss nicht; geschwind!
    Damis . So! hast du Lisetten um Urlaub zu bitten? Ich befehle dir: bleib da. Ich wuesste nicht, wohin du zu gehen haettest.
    Anton . Auf die Post, Herr Damis; auf die Post!
    Damis . Doch, es ist wahr; nun so geh! geh!
    Dritter Auftritt
    Damis . Lisette.
    Damis . Lisette kann sich nur auch gleich mit fortmachen. Will denn meine Stube heute gar nicht leer werden?
    Bald ist der da, bald jener; bald die, bald jene. Soll ich denn nicht einen Augenblick allein sein? (Setzt sich an seinen Tisch.) Die Musen verlangen Einsamkeit, und nichts verjagt sie eher als der Tumult. Ich habe so viele und wichtige Verrichtungen, dass ich nicht weiss, wo ich zuerst anfangen soll; und gleichwohl stoert man mich. Mit der Heirat, mit einer so nichtswuerdigen Sache, ist der groesste Teil des Nachmittags daraufgegangen; soll mir denn auch der Abend durch das ewige Hin− und Wiederlaufen entrissen werden? Ich glaube, dass in keinem Hause der Muessiggang so herrschen kann als in diesem.
    Lisette . Und besonders auf dieser Stube.
    Dritter Auftritt
    43
    Der junge Gelehrte
    Damis . Auf dieser Stube? Ungelehrte! Unwissende!
    Lisette . Ist das geschimpft oder gelobt?
    Damis . Was fuer eine niedertraechtige Seele! die Unwissenheit, die Ungelehrsamkeit fuer keinen Schimpf zu halten! fuer keinen Schimpf? So moechte ich doch die Begriffe wissen, die eine so unsinnige Schwaetzerin von Ehre und Schande hat. Vielleicht, dass bei ihr die Gelehrsamkeit ein Schimpf ist?
    Lisette . Wahrhaftig, wann sie durchgaengig von dem Schlage ist wie bei Ihnen—
    Damis . Nein, das ist sie nicht. Die wenigsten haben es so weit gebracht—
    Lisette . Dass man nicht unterscheiden kann, ob sie naerrisch oder gelehrt sind?—
    Damis . Ich moechte aus der Haut fahren—
    Lisette . Tun Sie das, und fahren Sie in eine kluegere.
    Damis . Wie lange soll ich noch den Beleidigungen der nichtswuerdigsten Kreatur ausgesetzt sein?—Tausend wuerden sich gluecklich preisen, wenn sie nur den zehnten Teil meiner Verdienste haetten. Ich bin erst zwanzig Jahr alt; und wie viele wollte ich finden, die dieses Alter beinahe dreimal auf sich haben und gleichwohl mit mir—Doch ich rede umsonst. Was kann es mir fuer Ehre bringen, eine Unsinnige von meiner Geschicklichkeit zu ueberfuehren? Ich verstehe sieben Sprachen vollkommen und bin erst zwanzig Jahr alt. In dem ganzen Umfange der Geschichte und in allen mit ihr verwandten Wissenschaften bin ich ohne gleichem—
    Lisette . Und Sie sind erst zwanzig Jahr alt!
    Damis . Wie stark ich in der Weltweisheit bin, bezeugt die hoechste Wuerde, die ich schon vor drei Jahren darin erhalten habe. Noch unwidersprechlicher wird es die Welt jetzt aus meiner Abhandlung von den Monaden erkennen.—Ach, die verwuenschte Post!—
    Lisette . Und Sie sind erst zwanzig Jahr alt!
    Damis . Von meiner mehr als demosthenischen Beredsamkeit kann meine satirische Lobrede auf den Nix der Nachwelt eine ewige Probe geben.
    Lisette . Und Sie sind erst zwanzig Jahr alt!
    Damis . Freilich! Auch in der Poesie darf ich meine Hand nach dem unvergaenglichsten Lorbeer ausstrecken.
    Gegen mich kriecht Milton, und Haller ist gegen mich ein Schwaetzer. Meine Freunde, welchen ich sonst zum oeftern meine Versuche, wie ich sie zu nennen belieben vorgelesen

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