Der junge Gelehrte
habe, wollen jetzt gar nichts mehr davon hoeren und versichern mich allezeit auf das aufrichtigste, dass sie schon genugsam von meiner mehr als goettlichen Ader ueberzeugt waeren.
Lisette . Und Sie sind erst zwanzig Jahr alt!
Damis . Kurz, ich bin ein Philolog, ein Geschichtskundiger, ein Weltweiser, ein Redner, ein Dichter—
Lisette . Und Sie sind erst zwanzig Jahr alt! Ein Weltweiser ohne Bart und ein Redner, der noch nicht muendig ist! schoene Raritaeten!
Dritter Auftritt
44
Der junge Gelehrte
Damis . Fort! den Augenblick aus meiner Stube!
Lisette . Den Augenblick? Ich moechte gar zu gern die schoene Ausrufung: und Sie sind erst zwanzig Jahr alt!
noch einmal anbringen. Haben Sie nichts mehr an sich zu ruehmen? O noch etwas! Wollen Sie nicht? Nun so will ich es selbst tun. Hoeren Sie recht zu, Herr Damis: Sie sind noch nicht klug und sind schon zwanzig Jahr alt!
Damis . Was? wie? (Steht zornig auf.)
Lisette . Leben Sie wohl! Leben Sie wohl!
Damis . Himmel! was muss man von den ungelehrten Bestien erdulden! Ist es moeglich von einem unwissenden Weibsbilde—
Vierter Auftritt
Chrysander . Anton. Damis.
Chrysander . Das ist ein verfluchter Brief, Anton! Ei! ei! mein Sohn, mein Sohn, post coenam stabis, vel passus mille meabis. Du wirst doch nicht schon wieder sitzen?
Damis . Ein andrer, der nichts zu tun hat, mag sich um dergleichen barbarische Gesundheitsregeln bekuemmern. Wichtige Beschaeftigungen—
Chrysander . Was willst du von wichtigen Beschaeftigungen reden?
Damis . Ich nicht, Herr Vater? Die meisten von den Buechern, die Sie hier auf dem Tische sehen, warten teils auf meine Noten, teils auf meine Uebersetzung, teils auf meine Widerlegung, teils auf meine Verteidigung, teils auch auf mein blosses Urteil.
Chrysander . Lass sie warten! Jetzt—
Damis . Jetzt kann ich freilich nicht alles auf einmal verrichten. Wann ich nur erst mit dem Wichtigsten werde zustande sein. Sie glauben nicht, was mir hier eine gewisse Untersuchung fuer Nachschlagen und Kopfbrechen kostet. Noch eine einzige Kleinigkeit fehlt mir, so habe ich es bewiesen, dass sich Kleopatra die Schlangen an den Arm, und nicht an die Brust, gesetzt hat—
Chrysander . Die Schlangen taugen nirgends viel. Mir waere beinahe jetzt auch eine in Busen gekrochen; aber noch ist es Zeit. Hoere einmal, mein Sohn; hier habe ich einen Brief bekommen, der mich—
Damis . Wie? einen Brief? einen Brief? Ach, lieber Anton! einen Brief? Liebster Herr Vater, einen Brief? von Berlin? Lassen Sie mich nicht laenger warten; wo ist er? Nicht wahr, nunmehr werden Sie aufhoeren an meiner Geschicklichkeit zu zweifeln? Wie gluecklich bin ich! Anton, weisst du es auch schon, was darin steht?
Chrysander . Was schwaermst du wieder? Der Brief ist nicht von Berlin; er ist von meinem Advokaten aus Dresden, und nach dem, was er schreibt, kann aus deiner Heirat mit Julianen nichts werden.
Damis . Nichtswuerdiger Kerl! so bist du noch nicht wieder auf der Post gewesen?
Anton . Ich habe es Ihnen ja gesagt, dass vor neun Uhr fuer mich auf der Post nichts zu tun ist.
Vierter Auftritt
45
Der junge Gelehrte
Damis . Ah, verberabilissime, non fur, sed trifur! Himmel! dass ich vor Zorn sogar des Plautus Schimpfwoerter brauchen muss. Wird dir denn ein vergebner Gang gleich den Hals kosten?
Anton . Schimpften Sie mich? Weil ich es nicht verstanden habe, so mag es hingehen.
Chrysander . Aber sage mir nur, Damis; nicht wahr, du hast doch einen kleinen Widerwillen gegen Julianen?
Wenn das ist, so will ich dich nicht zwingen. Du musst wissen, dass ich keiner von den Vaetern bin—
Damis . Ist die Heirat schon wieder auf dem Tapete? Wann Sie doch wegen meines Widerwillens unbesorgt sein wollten. Genug, ich heirate sie—
Chrysander . Das heisst so viel, du wolltest dich meinetwegen zwingen? Das will ich durchaus nicht. Wenn du gleich mein Sohn bist, so bist du doch ein Mensch; und jeder Mensch wird frei geboren; er muss machen koennen, was er will; und—kurz—ich gebe dir dein Wort wieder zurueck.
Damis . Wieder zurueck? und vor einigen Stunden konnte ich mich nicht hurtig genug entschliessen? Wie soll ich das verstehen?
Chrysander . Das sollst du so verstehen, dass ich es ueberlegt habe und dass, weil dir Juliane nicht gefaellt, sie mir auch nicht ansteht; dass ich ihre wahren Umstaende in diesem Briefe wieder gefunden habe und dass—Du siehst es ja, dass ich den Brief nur jetzt gleich bekommen habe. Ich weiss zwar wahrhaftig nicht, was ich davon denken soll? Die
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