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Der junge Gelehrte

Der junge Gelehrte

Titel: Der junge Gelehrte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gotthold Ephraim Lessing
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macht, so begegnet?
    Damis . Und ist man jemals einem beschaeftigten Gelehrten so ueberlaestig gewesen? Diese verdriessliche Gesellschaft loszuwerden, muss ich nur selbst meine vier Waende verlassen. (Geht ab.) Neunter Auftritt
    Valer . Juliane.
    Juliane . Und wir lachen ihm nicht nach?
    Valer . Nein, Juliane; eine bessere Freude mag uns jetzt erfuellen; und beinahe gehoert eine Art von Grausamkeit dazu, sich ueber einen so klaeglichen Toren lustig zu machen. Wie soll ich Ihnen die Regungen meines Herzens beschreiben, jetzt, da man ihm alle seine Glueckseligkeit wiedergegeben hat? Ich beschwoere Sie, Juliane, wann Sie mich lieben, so verlassen Sie noch heute mit mir dieses gefaehrliche Haus. Setzen Sie sich nicht laenger der Ungestuemigkeit eines veraenderlichen Alten, der Raserei eines jungen Pedanten und der Schwaeche Ihrer eignen allzu zaertlichen Denkungsart aus. Sie sind mir in einem Tage genommen und wiedergegeben worden; lassen Sie ihn den ersten und den letzten sein, der so grausam mit uns spielen darf!
    Juliane . Fassen Sie sich, Valer. Wir wollen lieber nichts tun, was uns einige Vorwuerfe von Chrysandern zuziehen koennte. Sie sehen, er ist auf dem besten Wege, und ich liebe ihn ebensosehr, als ich den Damis verachte. Durch das Misstrauen, wodurch ich mich auf einmal seiner Vorsorge entzoege, wuerde ich ihm fuer seine Wohltaten schlecht danken—
    Valer . Noch immer reden Sie von Wohltaten? Ich werde nicht eher ruhig, als bis ich Sie von diesen gefaehrlichen Banden befreiet habe. Erlauben Sie mir, dass ich sie sogleich gaenzlich vernichte und dem alten Eigennuetzigen—
    Juliane . Nennen Sie ihn anders, Valer; er ist das nicht; und schon seine Veraenderung zeigt es, dass Lisette falsch gehoert oder uns hintergangen hat. Zwar weiss ich nicht, wem ich diese Veraenderung zuschreiben soll—(Nachsinnend.)
    Neunter Auftritt
    51
    Der junge Gelehrte
    Valer . Warum auf einmal so in Gedanken? Die Ursache, die ihn bewogen hat, mag sein, welche es will; ich weiss doch gewiss, dass es eine Fuegung des Himmels ist.
    Juliane . Des Himmels oder Lisettens. Auf einmal faellt mir ein, was Sie mir von einem Briefe gesagt haben.
    Sollte wohl Lisettens allzu grosse Dienstfertigkeit—
    Valer . Welche Einbildung, liebste Juliane! Sie weiss es ja, dass Ihre Tugend in diesen kleinen Betrug nicht willigen wollen.
    Juliane . Gleichwohl, je mehr ich nachdenke—
    Valer . Wenn es nun auch waere, wollten Sie denn deswegen—
    Juliane . Wann es nun auch waere? wie?
    Zehnter Auftritt
    Lisette . Valer. Juliane.
    Juliane . Du koemmst als gerufen, Lisette.
    Lisette . Nun, gehen meine Sachen nicht vortrefflich? Wollen Sie es nicht unten mit anhoeren, wie sich Damis und Chrysander zanken? “Du sollst sie nicht bekommen; ich muss sie bekommen: ich bin Vater; Sie haben mir sie versprochen: ich habe mich anders besonnen; ich aber nicht: so muss es noch geschehen; das ist unmoeglich: unmoeglich oder nicht; kurz, ich geh nicht ab, ich will es Ihnen aus Buechern beweisen, dass Sie mir Wort halten muessen: du kannst mit deinen Buechern an den Galgen gehen.”—Was wiederhole ich viel ihre naerrische Reden? Der Vater hat recht; er handelt klug: er wuerde aber gewiss nicht so klug handeln, wenn ich nicht vorher so klug gewesen waere.
    Juliane . Wie verstehst du das, Lisette?
    Lisette . Ich lobe mich nicht gerne selbst. Kurz, meine liebe Mamsell, Ihr Schutzengel, der bin ich!
    Juliane . Der bist du? und wie denn?
    Lisette . Dadurch, dass ich einen Betrueger mit seiner Muenze bezahlt habe. Der alte haessliche—
    Juliane . Und also hast du Chrysandern betrogen?
    Lisette . Ei, sagen Sie doch das nicht; einen Betrueger betruegt man nicht, sondern den hintergeht man nur.
    Hintergangen hab ich ihn.
    Valer . Und wie?
    Lisette . Schlecht genug, dass Sie es schon wieder vergessen haben. Ich sollte meinen, erkenntlich zu sein, brauche man ein besser Gedaechtnis.
    Juliane . Du hast ihm also wohl gar den falschen Brief untergeschoben?
    Lisette . Behuete Gott! ich habe ihn bloss durch einen erdichteten Brief auf andere Gedanken zu bringen gesucht; und das ist mir gelungen.
    Zehnter Auftritt
    52
    Der junge Gelehrte
    Juliane . Das hast du getan? Und ich sollte mein Glueck einer Betruegerin zu danken haben? Es mag mir gehen, wie es will; Chrysander soll es den Augenblick erfahren—
    Lisette . Was soll denn das heissen? Ist das mein Dank?
    Valer . Besinnen Sie sich, Juliane; verziehen Sie!
    Juliane . Unmoeglich, Valer; lassen Sie mich. (Juliane geht ab.) Eilfter

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