Der junge Gelehrte
Brief?
Lisette . Den ich dir vorhin gab.
Anton . Was ist denn mit dem?
Lisette . Es ist alles umsonst; meine Muehe ist vergebens.
Anton . Wie denn so? So wahr ich lebe, ich habe ihn richtig bestellt. Mache keine Possen und schiebe die Schuld etwa auf mich!
Lisette . Richtig uebergeben ist er wohl; er tat auch schon seine Wirkung. Aber Juliane hat uns selbst einen Strich durch die Rechnung gemacht. Sie will es durchaus entdecken, dass es ein falscher Brief gewesen sei, und hat es vielleicht auch schon getan.
Anton . Was zum Henker, sie selbst? Da werden wir ankommen! Siehst du; nun ist der Sperling und die Taube weg. Und was das schlimmste ist: da ich die Taube habe fangen wollen, so bin ich darueber mit der Nase ins Weiche gefallen. Oder deutlicher und ohne Gleichnis mit dir zu reden: die versprochene Belohnung bei dem Alten hab ich verloren, die eingebildete bei Valeren entgeht mir auch, und aller Profit, den ich dabei machen werde, ist, nebst einem gnaedigen Rippenstosse, ein Pack dich zum Teufel!—Will Sie mich alsdenn noch, Jungfer Lisette?—Oh, Sie muss mich. Ich will Sie die Leute lehren ungluecklich machen—
Lisette . Es wird mir gewiss besser gehen? Wir wandern miteinander, und wenn wir nur einmal ein Paar sind, so magst du sehen, wie du mich ernaehrest.
Anton . Ich dich ernaehren? bei der teuren Zeit? Wenn ich noch koennte mit dir herumziehen, wie der mit dem grossen Tiere, das ein Horn auf der Nase hat.
Lisette . Sorge nicht, in ein Tier mit einem Horne will ich dich bald verwandeln. Es wird alsdenn doch wohl einerlei sein, ob du mit mir oder ich mit dir herumziehe.
Anton . Nu wahrhaftig, mit dir weiss man doch noch, woran man ist. —Aber, damit wir nicht eins ins andre reden, wo ist denn nun mein Herr? Da sind endlich seine verdammten Briefe!
Lisette . Siehst du ihn?
Anton . Nein; aber wo mir recht ist, jetzt hoer ich ihn.
Lisette . Lass ihn nur kommen; toll will ich ihn noch machen, zu guter Letzt.
Dreizehnter Auftritt
55
Der junge Gelehrte
Vierzehnter Auftritt
Anton . Lisette. Damis (koemmt ganz tiefsinnig; Lisette schleicht hinter ihm her und macht seine Grimassen nach).
Anton . Halt! ich will ihn noch ein wenig zappeln lassen und ihm die Briefe nicht gleich geben. (Steckt sie ein.) Wie so tiefsinnig, Herr Damis? was steckt Ihnen wieder im Kopfe?
Damis . Halt dein Maul!
Anton . Kurz geantwortet! Aber soll sich denn ein Bedienter nicht um seinen Herrn bekuemmern? Es waere doch ganz billig, wann ich auch wuesste, worauf Sie daechten. Eine blinde Henne findet auch manchmal ein Koernchen, und vielleicht koennte ich Ihnen—
Damis . Schweig!
Anton . Die Antwort war noch kuerzer. Wenn sie stufenweise so abnimmt, so will ich einmal sehen, was uebrigbleiben wird.—Was zaehlen Sie denn an den Fingern? Was hat Ihnen denn der arme Nagel getan, dass Sie ihn so zerreissen? (Er wird Lisetten gewahr.)—Und, zum Henker, was ist denn das fuer ein Affe?
Koemmst du von Sinnen?
Lisette . Halt dein Maul!
Anton . Um des Himmels willen geh! Wann mein Herr aus seinem Schlafe erwacht und dich sieht—
Lisette . Schweig!
Anton . Willst du mich oder meinen Herrn zum besten haben? So sehen Sie doch einmal hinter sich, Herr Damis!
Damis (geht einigemal tiefsinnig auf und nieder; Lisette in gleichen Stellungen hinter ihm her; und wann er sich umwendet, schleicht sie sich hurtig herum, dass er sie nicht gewahr wird) . Meiner Hochzeitfackel Brand Sei von mir jetzt selbst gesungen!
Anton . Ho! ho! Sie machen Verse? Komm, Lisette, nun muessen wir ihn allein lassen. Bei solcher Gelegenheit hat er mich selbst schon, mehr als einmal, aus der Stube gestossen. Komm nur; er ruft uns gewiss selbst wieder, sobald er fertig ist, und vielleicht das ganze Haus dazu.
Lisette (indem sich Damis umwendet, bleibt sie starr vor ihm stehen und nimmt seinen Ton an) . Meiner Hochzeitfackel Brand Sei von mir jetzt selbst gesungen!
(Damis tut, als ob er sie nicht gewahr wuerde, und stoesst auf sie .) Damis . Was ist das?
Lisette . Was ist das?
(Beide, als ob sie zu sich selbst kaemen .)
Damis . Unwissender, niedertraechtiger Kerl! habe ich dir nicht oft genug gesagt, keine Seele in meine Stube zu lassen als aufs hoechste meinen Vater? Was will denn die hier?
Vierzehnter Auftritt
56
Der junge Gelehrte
Lisette . Unwissender, niedertraechtiger Kerl! hast du mir es nicht oft genug gesagt, dass ich mich aus der Stube fortmachen soll? Kannst du dir denn aber nicht einbilden, dass die, welche im Kabinette hat sein
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