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Der junge Goedeschal - Roman

Der junge Goedeschal - Roman

Titel: Der junge Goedeschal - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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»Ach, was ist gesagt und was ist nicht gesagt, das für mich nicht Scham und Ekel sein muss? Ich fühle es wohl, so fremd ich hier bin, dass sie mir geholfen haben – aus Mitleid. Arne hat mit ihnen geredet, ich bin vorgeführt als ein Wundertier, wie im Hörsaal ein Kranker durch seinen Arzt.«
    Die Scham über ihr Mitleid machte ihn zum Äußersten unruhig. Es war ihm, als müsse er umherlaufen, irgendetwas tun, etwas Lautes, Aufsehenmachendes, um zu zeigen, dass er auch ohne dies Mitleid da war, dass er sich nicht schämte. Dann blieb er stehen, er sagte: »Glaubt ihr denn, ich durchschaue euch nicht? Gott sei Dank, ich bin immer noch klüger als ihr. Ich nehme eure Hilfe, weil es mir so gefällt, aus Missachtung, Gleichgültigkeit. Verreckt doch, was geht das mich an.« Er fühlte, dass jedes Wort Lüge war, fühlte klar, dass er in einem Ton sprach, der nicht einmal ihn überzeugte. Schwankte nicht noch in seinem Innern die weiche Weinerlichkeit,die wie ertrinkend nach der hilfreichen Hand gefasst hatte? Bebten nicht noch seine Knie?
    »Feige war ich, feige wie immer. Deswegen sehe ich keinen Menschen an, deswegen sage ich kein zorniges Wort. Ich habe nicht einmal den Mut zu meinen Gefühlen. Ewig aus Haltlosem gehemmt, möchte ich vorwärts und lege mir selbst die Schlingen, die mich zu Fall bringen.«
    Seine Gedanken erschreckten ihn. Er schüttelte den Kopf einmal, zweimal, viele Male, er zwang seine Augen aus der Ferne in das nahe flatternde Weiß der Mädchenkleider. Sein Ohr hörte statt auf die leisen Stimmen der Anklagen und Verzweiflung auf das Gelächter der Tänzer. Er fand Arne und Irene; ihrem Tanz nachblickend, erriet er einen Willen in den beiden, der ihn leiten hieß und sie folgen, ein Wille war da, der ihm so wie ihr gehörte. Aber vor dieses Bild schob sich das blasse Gesicht von Fräulein Lorenz. Es war unbewegt und nicht mehr gerötet als mit einem leichten, kaum wahrnehmbaren Hauch. Ihre geöffneten, schmalen Lippen ließen die breiten Rechtecke der Zähne sehen, die fast zu schwer für dieses Gesicht waren. Die langen Wimpern der Lider waren gesenkt. Wie sie dort, die eigenwilligen Linien der Augenbrauen in die Höhe gezogen, gleichsam einsam tanzte, dem Manne an ihrer Seite die Führung als etwas Belangloses, aber doch mit allem Vorbehalt überließ, schien sie Kai jenen Madonnen zu ähneln, die, karg in Holz geschnitten, mit wenigen Linien eine Einsamkeit betonen, die sie von der ganzen Welt trennt. Und doch lag etwas in ihr, was diesem widersprach und seine Geltung auslöschte, und Kai las dieses andere in dem weichen Kreisen der Hüften, die, den umgebogenen Rändern einer Schale gleich, Sehnsucht nach dem Gefülltsein mit Früchten atmeten. Und während er gedankenlos und träumend ihrem stillen Schweben zusah, ahnte er tiefer in ihr als ihr Ziel dieAuslöschung dieses Widerspruchs, das Überströmen der Weichheit über das herbe Abgeschlossensein ihrer Schultern und des Gesichtes.
    Aber all dies war trübe, es war so schwer, sich über diese Dinge klarzuwerden, und beinahe unmöglich, Schlüsse aus dem Gewonnenen zu ziehen. Dunkel ahnte er, dass alles anders war, wie er gelesen, oder doch nur bedingt so: Liebe war innerlicher und beinahe qualvoll. Süß sicher nicht. Es war besser, sie von sich wegzustellen.
    Seine Gedanken irrten ab. Eben stand noch Arnes Bild vor ihm, der mit strahlenden Augen von der Schönheit der Liebe gesprochen, nun dachte er an ein Mittagessen neulich, bei dem seine Schwester von einem Besuch im Museum geredet. Von einer Statue hatte sie gesagt: »Ihr Mund ist so fabelhaft sinnlich!« Wieder fiel auf ihn, gerad wie in jener Minute, ein atemlos erwartetes Zittern; der Vater würde empört sich so unanständige Reden verbitten. Aber es war still geblieben, eben still, und nur an seinen Augen hatte Kai gemerkt, wie wenig dem Vater das Thema passte.
    Und dies war es nun wieder, was ihn von neuem erschütterte: ein sinnlicher Mund. Auch das musste mit dem zusammenhängen, was Liebe genannt wurde. So war also dies kein plötzlicher Überfall, kein Geschenk eines lächelnden Amor, nein, es war an den Körper geknüpft, lag von Kind auf im Leibe? »Aber dann«, so schloss er, im Innersten verwirrt, »kann es auch kein Zufall sein, wenn ich Ilse lieben würde. Es wäre bestimmt, es wäre unentrinnbar, Kismet? Aber wie? Wenn Arne nicht heute geredet hätte? Wenn er jemand anders wie Ilse vorgeschlagen hätte? Wenn er …?«
    Er brach ab. Sein nach unten gerichteter

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