Der junge Goedeschal - Roman
»Sie müssen sich gerissen haben. Ihre Hand ist ganz blutig.«
Kai versteckte sie. Ilse: »Zeigen Sie doch! Warum denn nicht? Nein! So viel Blut. Dass ich dies nicht sah!«
Sie rieb mit dem Taschentuch. Er wollte sich ihr entziehen. »So lassen Sie doch! Es ist nichts. Ich fiel ein wenig.«
Erstaunt aufsehend sagte sie: »Nichts zu sehen. Kein Riss. Gar nichts.«
»Ich sagte ja gleich, es ist nicht der Rede wert.«
»Wo Werner nur bleibt?«
Sie sah um sich, suchte, blieb stehen. Fragte die andern, alles verhielt.
»Abzählen!«
»Nur er fehlt.«
»Er wird sich verlaufen haben.«
»Ausgeschlossen! Klotzsch und verlaufen!«
»Wollen wir warten?«
»Er muss doch gleich kommen.«
»Oder zurückgehen?«
»Besser: warten.«
»Nein«, meinte Kai, »auch das unnötig. Er muss jede Minute da sein. Ich traf ihn vorhin. Er wollte gleich nachkommen.«
Sein Auge fing einen Blick. Ilse fragte: »Sie trafen ihn?«
»Ja, natürlich … Hatte noch was zu besorgen.«
»Was denn – zu besorgen?«
Einige brummten, manche lachten unterdrückt.
»Etwas lange«, meinte einer. Die Lacher verstärkten sich.
Ilse rief: »Kai, kommen Sie einmal her! – Sie sagten vorhin, Sie hätten Klotzsch nicht gesehen, nun sagen Sie wieder, Sie haben ihn gesehen; was ist da wahr?«
Er, leise stammelnd, verhetzt: »Nachher. Ich sage Ihnen alles …«
»Nein, jetzt …« Sie brach ab. Sie sah seine Hand, blaurot, kraftlos herunterhängen. Wie im Krampf schlugen die Finger umeinander, seine Knie bebten, sein Kopf war gesenkt.
»Es ist nichts«, sagte er mühsam. »Gar nichts. Sie brauchen sich nicht zu ängstigen.«
Sie prüfte ihn, er wich aus, schob sich zurück.
33
»Umsonst mein Drängen! Wie entglitt ich ihrem musternden Blick, in alle Gruppen eilend, dort zum Gesang der Lieder, da zum Schulgeschwätz, dass sie kommen würde: ›Wo ist Klotzsch?‹
Ich trieb sie vorwärts. Ich flehte. Nun halten sie hier doch, unter den Bäumen am Hügel, und erwarten über Holzsuchen, Feuerentzünden, Essenkochen ihn, der mich entlarven wird.«
Er wandte das Gesicht. Am Baumstamm hingelehnt, die ermüdeten Beine in die Nässe des Bodens gepresst, prüfte er die endlosen Wiesen. »Noch nicht. Aber gleich wird er da sein. Drüben aus jenen Büschen, aus diesem Hohlweg tretend zwischen den beiden, die ihn nun suchen. Gleich.«
Die Zurufe der Holzsucher belebten die Büsche. Bitterkeit stieg hoch. »Warum ich allein stets zurückgestoßen, sosehr ich die andern ersehne? Eben noch, auf der Landstraße wandernd, war mir sogar der Wind Gefährte und der Regen lieber Freund. Nun höre ich ihr Rufen, das eine Kette zwischen ihnen schlingt, freundlich schaukelnd bei jeder Lippenregung, hör es, gänzlich verbannt, mein Urteil erwartend.«
Zweige brachen nah. »Soll ich fliehen?«
Aber in sein Emporrichten trat sie, das Gesicht nun sehr bleich, der Mund klein geworden und die Fremdheit ihrer Augen ihm ganz zugewandt.
»Was ist, Kai, mit Klotzsch, Sie wissen etwas.«
Und, als er schwieg: »Mehr: Sie haben etwas getan.«
Er lachte auf, verlegen, hustete. Sein Arm wies nach draußen. »Nichts«, meinte er leicht, »noch kommen sie nicht.«
Sie trat näher, sah auf ihn hin. »Was ist mit Klotzsch? Sagen Sie mir doch, Kai!« Noch näher, eilig, den Blick den Wiesen zu: »Fühlen Sie nicht: um Ihretwillen frage ich, nicht um ihn. Reden Sie! Sagen Sie mir doch!«
Er schwieg, lehnte am Stamm, sah weiter hinaus. Ihr Reden rann neben ihn hin, ein ärmliches Wässerchen, dessen Tropfenfall kaum zu seinem Ohr drang. Sein Gesicht prüfend, fand sie es alt, tausend Falten schienen es zu überhängen. Grau. Seine Fremdheit erkältete sie.
›Was sagte ich ihm! Kenne ich ihn denn, was weiß ich von ihm?‹ Zaudernd, ihren Blick in den Daliegenden versenkt: ›Aber ich weiß doch: ich liebe ihn. Doch liebe ich ihn.‹
Und süß schien es ihr, die Trostlosigkeit dieser Augen an ihrer Wärme zu entzünden.
Er sagte: »Zu spät. Dort kommen sie.«
»Sind es drei, Kai, sind es drei?«
»Es sind drei.« Und schon aufrecht, bewegt, als sei noch rasch zu reden, alles zu regeln: »Sie müssen wissen. Er ließ mich nicht zu Ihnen. Ich hatte den ganzen Morgen gesucht. Nun hielt er mich fest. – Da – hier.«
Er wies das Messer.
Sie schrie: »Gestochen?« und trat fort.
Er ihr nach, zwischen Gebüsch, über ihre Schulter, immer näher den andern. »Nein, nein, nur geschnitten. Verstehen Siedoch: nur geschnitten! So, über den Handrücken fort, ein kleiner
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