Der junge Goedeschal - Roman
so erfüllt von Leben, dass du’s vergraben musst, sonst zersprengt es dich.«
»Die Grube ist tief genug. Du magst ihm aus Laub, vergilbt, ein Bett richten. Lass es hineingleiten, langsam. Langsam! Es erwacht nicht, aber du!«
»So. Gib Erde darauf.«
»Sieh nicht hin!«
»Zuerst die Pfoten, der Leib, – du brauchst nicht hinzuschauen, es ist recht so. Gleich ist es bedeckt. Noch ein Spaten voll.«
»Sieh nicht hin!!! – Zu spät, dass du das Gesicht beiseitezwängst …!«
Kai erschauerte: stumpf zum Mond das blaue Kaninauge, bestreut mit einem Krümel Sand, zerstört das Glasklare.
»Hans!!!«
Zusammenschreckend umkrampft er den Spatenstiel; in Klage das verzerrte Gesicht zum Durchleuchteten erhoben, stößt er den Spaten in den Leib des Geliebten, den er zerklaffen fühlt; mit den Händen, den Füßen scharrt er die Erde darüber; stampft sie fest.
Vorgebeugt von der Verandatreppe sah er gegen die dunkle Bretterwand das weiße Kreuz des Spatenstiels. Und es schien ihm, seltsam erhoben wie erleichtert, als gäbe es von nun keine Sünde mehr, die nicht entsühnt sei durch Legen der Hand auf dieses Kreuz. Denn im haarumgebenen Fleisch mündend, schien es nur ein ander Symbol jenes zu sein, der, am Kreuz sterbend, eine Welt zu entsühnen begehrte.
»Kehre um. Zögere nicht, dies, leicht am Morgen zu finden, darf nicht bleiben. Entferne den Spaten.«
»So.«
»Du willst gehen? Noch ist deine Arbeit nicht getan. Von neuem scharre den Boden auf. Greif hinein, greif fest zu.«
»Was fürchtest du dich! Nicht noch einmal erwachst du. Nimm es, schwing es über den Zaun.«
»Es fiel. Hörtest du das Klatschen? Es ist fort, die Hunde werden es fressen. Schon ist es nicht mehr da.«
»Du darfst schlafen gehen.«
30
»Lehne dich gegen mich, Wind, blase nur zu! Und du, Regen, schlag deine langen und feuchten Schnüre mir ins Gesicht, überspül meine Hände, durchnässe die Kleider, füll die Schuh, du hältst mich nicht, – ich finde sie doch!
Hab ich schon verschlafen, habe ich auch den Zug versäumt, wandre ich hier immer allein in Regen und Wind ihren, nur geahnten, Spuren nach – am Ende, irgendeine Wegbiegung, ein sich teilendes Gebüsch, der weichende Stamm eines Ahorn, im Regen wie Lack glänzend, – irgendetwas über ein Kleines wird sie mir zeigen; ich werde nicht umsonst allein gewesen sein!«
Auf der Hügelkuppe verharrend, sah er fort zur verwaschenen Spur der Landstraße, die in dampfigen Schleiern mündete; herbstgepflügte Äcker, von Schneewasser durchlaugte und vergilbte Wiesen hoben und senkten sich dem Horizont zu; Wasserlachen glänzten auf; in den Winkeln der Böschungen lagen stumpf tauig zerfressene Schneehaufen; und dies alles und selbst das Surren der Telegraphendrähte war weich gemacht von der Ahnung des Kommenden.
Weitergehend: »Es ist ja wieder einmal nicht wahr, was diePauker moralisieren! Jeder Eindruck bliebe, grübe sich ein, zöge Folgen auf Folgen? Was war gestern, noch heut Nacht? Nein, nicht daran denken; jeder ist einmal ein wenig verdreht: heute bin ich ein andrer, mit dem neuen Morgen ist die alte Hoffnung wieder da, und gibt es auch Zuspätkommen, Verfehlen, Regen, Wind – bin ich denn nicht froh, liebe ich nicht das Leben?«
Die Arme gebreitet, ganz hingegeben, während der weichere Wind in die Lungen drang: »Du bist da! Ich finde dich. Alles gut.«
Und vorwärts wandernd ließ er neben sich die gestalteten Wünsche, erfüllten Hoffnungen gehen. Seine Hände, erfroren, blaurot, schienen sich zu füllen von einem Übermaß an Geschenken.
»Nein, nicht arm! Niemals arm!«
Dann, während er den erhobenen Blick gleiten ließ in das Aufgebreitete der samenwartenden Felder, in die endlosen Dehnungen und Dünungen der lehmigen Äcker, sah er ohne Erstaunen, als die selbstverständliche Einlösung eines Versprechens, auf den Wiesen neben den Weiden die kleinen schwärzlichen Punkte Wandernder und wusste: »Da bist du ja! Siehst du, nun habe ich dich doch!«
31
Er warf den Rucksack zurecht, übersprang Böschung und Graben. Der aufgedunsene Acker klebte unförmige Tonklumpen um seinen Schuh. Dem am Rand des Schlags über den Graben Springenden entglitt plötzlich der Boden: unterm Fingernagel Gras, das Gesicht glühend, trat er im Aufstehen sich die Füße: »Passt auf, ihr Lumpen! Passt doch auf!«
Über den Wiesen glänzte Wasser. Eisige Pfützen klirrten im Betreten, nässten seine Beine zum Knie. Auf dem feuchten Gras ausgleitend, stürzte er drei-,
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