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Der junge Goedeschal - Roman

Der junge Goedeschal - Roman

Titel: Der junge Goedeschal - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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scharf nach, aber nun kommt es von neuem angestürmt:»Tick. Tick. Tick.« Und wieder ist der fremde Mitläufer dabei.
    Kai richtet sich ganz hoch auf, er streift die Decke zurück und winkt mit der Hand. »Seid doch still! Ich werde ja verdreht vor Geticke, ich habe nachzudenken.«
    Da sind die Uhren versunken, nur eine schleicht ganz langsam ihres Weges noch, schlappsig und beutlig klingt’s.
    »Sie muss weit weg sein. – Nein, ganz nah.«
    Er bückt seinen Kopf zur Wand, vielleicht tickt sie dahinter; aber schon ist es da, er sagt laut: »Das ist gar keine Uhr, das ist mein Herz.« Und da geht ein Bein aus seinem Bett und nun das andere.
    Licht ist angebrannt, er weiß nicht warum, alle Bewegungen fallen aus ihm. Er hat nicht die geringste Zeit, über sie nachzudenken. Nur aufpassen muss er, dass ihm keine entgeht, denn sie regen sich so klein in ihm wie die Hände von Babys, die aufwachen möchten, über den Bettdeckenrand zucken.
    Und nun zieht er das Nachthemd über den Kopf, und nackt sitzt er am Schreibtisch, Briefpapier liegt vor ihm, ohne Zögern und Hast geht der Federhalter zum Tintenfass und von da zum Briefbogen, er schreibt: »Liebe kleine Margot.«
    Da ist er frei, es wird so warm, er lächelt hell, seine Glieder werden nun ganz voll und scheinen irgendetwas zu betreiben wie Gesang. Und er lächelt und schreibt.

36
    Liebe kleine Margot,
    ich weiß schon, es ist dumm, dass ich an Dich schreibe. Du wirst auch kaum den Brief zu Ende lesen, weil er Dich langweilt oder weil die Schrift zu schlecht ist. Du wirst’snicht mehr gewöhnt sein, solche Briefe zu lesen. Oder, wenn Du ihn liest, wirst Du lachen, – oh! – so herzlich lachen.
    Ich sehe Dich lachen. Ich mache die Augen zu und sehe Dich, wie Du lachtest, neulich Nacht, im großen Wandspiegel mir gegenüber, als Du an Deiner Geburtstagsfeier einen kleinen Schwips hattest. Ich mache die Augen zu und sehe Dich, denn ich bin maßlos verliebt in Dich.
    Aber trotz allem schreibe ich Dir; doch warum? – weiß ich selbst nicht, vielleicht, diese Liebe loszuwerden, die seitdem immer in mir ist.
    Du wirst kaum mehr wissen, wie es ist, wenn Dich einer liebhat. Du kennst nur das Lieben mit seinen Erfüllungen. Und ich weiß, diese Erfüllung ekelt Dich oft, sosehr Du Dich zwingst, nicht an sie zu denken. Aber in grauen Stunden kommen die Gedanken doch einmal und stellen sich um Dich und sehen Dich mit todtraurigen Augen an und fragen: weißt Du noch?
    Da wird alles wieder wach: jene Zeit, in der Du zum ersten Male liebtest, in der Du nichts wusstest von Schuld und Fehle, da Du auf seine Schritte horchtest, da der Flieder ganz anders um Dich duftete als in diesem Jahr, da der Himmel blauer war und die Wolken seliger weiß. Du denkst an jene Zeit dann, da Du die Augen zumachtest und fühltest ein rotes Leuchten in ihnen vor lauter Sonne und Glück, hörtest die Vögel singen und das Blut in den Adern heiß und sehnsüchtig klopfen. Warst lachend und weinend.
    Kleine Margot, mache die Augen zu, denke an jene Zeit, dann weißt Du, wie mir jetzt zumute ist. Jede Blutwelle spült Deinen Namen herauf, und mein Herz klopft den ganzen Tag nur Dich. Kleine Margot, weißt Du noch, wie’s damals war? Verstehe mich, dann fühlst Du, dass ich Sehnsucht nach Dir habe.
    Liebe kleine Margot, ich denke sehr viel an Dich und möchte gern bald ein Blatt Papier von Dir in der Hand halten. Ich kann den Abend neulich nicht vergessen. Nun hat Dich lieb
    Dein Kai.
    P. S. Wenn Du schreiben magst, so schreib: »Hauptpostlagernd: Kai.«

37
    Nun, im Erwachen, noch brandete weiß Gellgeschrei des Weckers, war es da, wuchs auf, breitete sich, staubige Windwellen durchtrieben das Zimmer, ein zäher, schläfenzwingender Druck quoll: Montag. Sechs Tage Schule.
    Und ein wenig vorgebeugt, ein wenig schon den dürftigen Rücken der ungelüfteten Kissenwärme enthoben, zählte sie Kai, diese Tage von Montag mit Thème über des Mittwochs Geschichtsprüfung jenem endlos fernen Sonnabend zu, der ihn freigeben würde …
    Sicher nicht frei! Sondern Träger frischer Demütigungen, einer bisher nicht gefühlten Kränkung, ging er neuen Wochen, neuen Leiden zu.
    »Wenn ich zögern dürfte! Prüfen, durchleben! Doch nein, schon drängt Neues: Werners Hand winkt Vergeltung, noch umtanzt er mit Lehmann, die mir gehört, Ilse, und dort, im Winkel, hockt mit gesenktem Lid, feindlich, ›Es‹, einer anderen List nachgejagt, die mich verführen soll.«
    Schwammig sah er’s, von der Hefe seines Denkens

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