Der junge Goedeschal - Roman
Nutzen? Welchen Nutzen? Wen trifft es? Mich, Ilse, Sie, Ihren Herrn Gemahl …?«
»… er weiß nichts! Nie darf er wissen! Er schlüge … Ilse …«
»Ilse!!! Aber wie? Sie doch unschuldig …!«
»Kleiner Grund doch …«
»Gnädige Frau …!«
»Ich weiß! Ich weiß! Aber doch für … ihn. Wäre Schaffner hier!«
»Schaffner?«
»Er suchte schon. Umsonst. Sagte am Ende: Goedeschal wird wissen, muss wissen …?«
»Nichts …«
»Kein Verdacht?«
»Keiner. Nichts zu sagen. Keine Vermutung. Erst Gewissheit. Dann sprechen …«
»Sie ahnen?«
»Nichts!«
»Sie ahnen!«
»Gewissheit! Was ist Ahnung! Ich finde ihn. Ilse … ich finde ihn.«
Ihr Blick stieg, Verklärtheit überstrahlte Kai: seine Kraft wuchs: »Zeigen Sie mehr!«
»O nein! Bitte, Mama …«
»Ich muss. Wie fände ich sonst …?« Sie prüften. Jene Briefblätter, fremde nun, geknifft, von Stempeln überkreist, ein Fettfleck – – Worte wanderten, schwer den Sinn zu erfischen.
Die Stirn überglühte: Scham war es, aber immer: Hass, Wut, Ekel! »Ich werde ihn finden, Ilse, ich werde ihn finden … Ungestraft entkommt er nicht, er soll sich hüten. Ich schleiche ihm, Spürhund, nach, schnüffle die Fährte. Oh! Er!«
»Warum Er? Durchaus Er?!«
»Wie …?«
»Er … Er … ER …?!!«
»Sie meinen: sie!«
»Nichts. Aber warum er? Warum sagen Sie er? Ahnen Sie? Machen Sie Ende, Herr Goedeschal, sagen Sie schnell!«
(›Was klingt? Sprich doch laut! Was ahnst du?! Sprich!‹)
»Ich suche …«
»… und nie ein Brief an Sie …?«
»Nie!«
»Oder Ihr Freund Schütt?«
»Er sprach nicht davon …«
»Details sind erwähnt, unsern Freunden allein bekannt …«
»Ja, lassen Sie nun. Ich muss denken. Adieu.«
»Finden Sie bald, Herr Goedeschal. Adieu.«
»Ilse, sei mutig. Trage es. Rein bleibt unsre Liebe. Dieser Anwurf ist nichts, Ilse …«
»Weißt du …?«
»Nein, nein!«
»Mutter ist sonderbar.«
»Erregt nur. Fürchterlich dies alles. Begreiflich Erregung.«
»Mach mich frei, Kai! Wie kann ich schlafen. Meine Träume …«
»Ich werde suchen. Liebe, du, sei froh …«
»Wie soll ich?«
»Liebst du mich doch …?«
»Doch!«
»Also froh!«
67
»Arne! Wartest du lange schon?«
»Länglich.« Kaum sah jener auf, bedenksam klopfte er Asche vom glühenden Stummel. Kai setzte sich. Ruhe auch nicht hier. So vieles zu erwägen. Nun aber: »Was Neues?«
»Ich nicht. Aber du?«
»Ich? Nichts!«
Der Blick hob sich nicht, schon aber begann neu Sensation die Glieder Kais zu durchprickeln, neue Wärme erhitzte das kaum straßenluft-gekühlte Gesicht, denn dieser:
»Ein guter Freund, ein aufrichtiger Freund ist eine Gabe Gottes.«
»Bin ich nicht …?«
»Nein, bist du nicht!«
»Und?«
»Berichtete ich nicht, wegen Margot? Nun du? Nichts zu sagen?«
»Was ihr wollt, alle! Erst Papa, Mama: nichts zu sagen, Kai? Frau Lorenz, Ilse: nichts zu sagen, Herr Goedeschal? Nun du … bin ich denn …?«
»Bist du! Bist du!«
»Also was?«
»Kai, rede, ich weiß alles …«
»Was alles? Gar nichts weißt du!«
(›Hoffte noch! –: Anderes ist es! Ich irre mich!‹)
»Alles …!«
»Und wenn du schon weißt! Kannst du nicht schweigen? Siehst du denn nicht, dass ich nicht reden will, nicht reden kann? Mein Wille ist nicht da. Das alles ist Dunkel, nun soll es ans Licht … Am Tage besprechen, in lebende Augen hinein, die es aufnehmen, ganz anders meinen dann …«
Er sah durch das Fenster. Auf den Straßen liefen befreit Kinder, die Frühling ahnten. Erste Kreisel drehten. Schreie! Freudige Schreie! Viele Fenster standen offen. Fort! Fort! In seiner Hand schnurrte die Gardine, gelblichgrau hing Dämmer über Tisch, Hand und Gesicht.
»… auch heut so. Plötzlich waren die Briefe da. Sie schoben sie her. Sie fragten: wissen Sie nicht? Nein, ich weiß nicht. Kenne nichts. – Fremd das?«
»Fremd … dir!«
Kai sprach weicher, griff nach hinten, der beißende Karbolgeruch der Bedürfnisanstalt damals auf dem Schulhof war neu da, sie alle redeten; da er doch versuchte, aus sich Wahrheit zu schaffen, blieben sie ungläubig, ihre zu beweglichen Gehirne formten um, was Gesetz war, ihm selbst in Steintafeln geprägt.
»Weißt du noch? Damals? Als ich Klotzsch schnitt? Nicht ich tat es. Aber auch da glaubtet ihr nicht! Heute glauben sie noch. Fass es, Arne, auch ich muss es begreifen: da aus ihrer Hand jene Briefe, deren Worte meine Nacht schuf, taghell zu meiner glitten, waren sie fremd, mir ungemein, nichts mit mir
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