Der junge Goedeschal - Roman
in der Heide die Föhren und jener sanfte Sand … blauer Himmel … einmal noch die Lerchen … das Wolkenwandern weiß, selig, reißt mich von dieser Erde auf …
Doch habe ich keinen Revolver … Wie tue ich es? – Nur zwei Radelstunden bis dort … ein Stück Wäscheleine werde ich mitnehmen im Rucksack … dann, Ruhe …
Aber ich brauche es ja nicht! Sie wissen nichts! Ich kann leben, weiter! Nur keine Briefe mehr, so finden sie nichts … Ist es wirklich nicht notwendig?«
66
Draußen durchschwingt Klarheit die Luft. Erste Ahnung des Frühlings legt Sanftes wie Samt an die Wange. Hinter den Scheiben des Fensters steht Himmel blassblau. Die Spatzen sind lauter schon. Aber hier drinnen dumpft es wie je. In den Ecken des Sofas hocken staubige Schatten, eine Motte torkelt, und das Grau dieser Luft spinnt wie ein nie endender Traum.
Gehen Worte? Auf den Tisch sind die Augen gesenkt, die Hände im Schoß fassen einander, rechte die linke, zu beweisen: dies wenigstens ist da, warm, drinnen klopft’s. Sicherlich gibt es Briefträger. Vielleicht gelangen sie bis an die Tür dieser Wohnung, ihre von Haar überlaufenen Hände reichen Briefe, aber jene, welche – wo bleiben sie? Bis hierhin dringen sie nicht.
Die Stricknadeln klappern, der lange Faden wird kurz.Auch das Knäuel rollt nicht zu Boden – im Aufheben wäre Errötung verborgen, die nun steigt, klimmt, wärmt, hitzt, Schläfen sengt, da sie spricht, die Mutter: »Nein, Ilse, wir müssen mit Herrn Goedeschal reden.«
»O Mama! Nein! Nein!«
»Vielleicht weiß er …«
»Bitte, bitte nicht, Mama!«
(›Wohin soll man denn sehen? Wie tut man denn das, wenn man dies nicht versteht? Denn man weiß doch nicht, worum sich’s dreht! Fragender Blick, versteht sich. Ein Wort auch. – Oh! Prickelblut, verfluchtes!‹)
»Lass nur, Ilse, unangenehm genug, sein muss es doch.«
In der Schreibtischlade knirscht bohrender Schlüssel, Ilse neigt sich. »Oh, Kai …?«
»Ilse …?«
»Ich schäme mich so …!«
»Nichts da, Ilse, nichts zu schämen. Lesen Sie, Herr Goedeschal!«
Der Brief sticht ihm zu, spitzfingrig gestreckt. Greife ihn, Kai. Gesenkt sei dein Blick. Dieses schwarze, dünn Gezerrte bindet sich meinend; fasse Wortsinn, langsam gehe dein Auge, krampfe die Hand, nun knittere … weiter … Mama schaut dich an, hie und da … spitze Augen, Glitzaugen …, aber Ilse senkt den Blick, sie näht nicht, atmet hebend … siehst du? … hebend; dies ist doch da: Brust … fasse den Sinn … versuch’s, Goedeschal … blick auf!
»… Wie? Den Umschlag, ja? Und noch einmal, verzeihen Sie …«
Lies … die Stimme klang so schlecht nicht … Erregung berechtigt … wenn man wüsste, ob sie wissen … ahnen, ahnen …? Ilse? Nein, aber Feindschaft dort, nur die alte oder neue dieses wegen?
Frühlingsvorklang am Fenster, Himmel blaut.
»Gnädige Frau, ich verstehe nicht …«
»Auch wir, Herr Goedeschal, verstehen nicht. Woher diese Gemeinheit?«
»Ja, woher! Wer?«
»Nichts gesagt hätten wir, wenn’s der Einzige wäre, aber elf schon … an mich, Ilse, sogar Lotte …«
»Und wie lange …?«
»Acht Tage bereits.«
»Und Sie wissen nicht …?«
»Nicht …«
»Aber wie …?«
Da sah Kai auf: ihr Gesicht war sehr bleich geworden, der schmale Mund zuckte, die bebenden Lider lösten Tränen von der Glänze des Auges; ungeachtet flossen sie, tropften, die Hand griff Halt; aber der gesenkte Scheitel litt! Leiden, das war’s, und so, plötzlich vergessend des alten Gespitzes im Sofa, fasste er jene trauernde Junge:
»Ilse, nicht weinen … nie kann es an dich … Solch Schmutz! Was tut der mit dir! Fort, fort die Tränen! Hebe den Blick, es ist vorbei …«
»Jetzt, wo du da … morgen wieder … der Briefträger schrillt, und wieder neu …«
»Nein, nein, nicht neu, finden werden wir ihn, strafen! Wer tat es, welcher Feind? Was für Schmutz! So gemein! Zum Verletzen allein gebaut … Aber ich finde ihn. Ich suche. Büßen soll er es … diese Tränen … Sieh mich an! Glaube: ich finde ihn!
Sei still! Er versteckt sich umsonst. Seine Schrift, das Postamt, die Stunde des Einwurfs … ich prüfe, nicht schlafe ich mehr. – … dann finde ich ihn … oh, wie gemein! Wie gemein! Was will jener! Hasst er dich? Mich? Wo schleicht er?Bekannt nur oder ein Freund? Ein ferner vielleicht? –: Wir finden ihn!«
»Herr Goedeschal …«
»Ja, wie? Verzeihen Sie … ja, wie …?«
»Kein Verdacht?«
»Nichts. Aber wir werden suchen. Wer hat den
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