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Der junge Häuptling

Der junge Häuptling

Titel: Der junge Häuptling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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unternehmen von Osten her einen Scheinangriff, um die Wachen zu beschäftigen. Unterdessen kommt der Biber allein über das Westtor zur Hofluke an den Keller hier heran und hilft dir heraus. Die Turmwache habe ich, die Wache im vorderen Hof beim Tor der Tobias, die Pferdewache übernehmen nach Mitternacht Thomas und Theo. Ich sehe nicht ein, warum das nicht glücken soll. Machst du mit?«
    »Ja. – Was ist aus den beiden alten Ratsmännern geworden, die mit mir auf das Fort kamen?«
    »Die haben sie noch am selben Tag ermordet. Sie waren so unklug, sich noch zu wehren.«
    »Ist Red Fox hier?«
    »Ja. Er schläft oben im Kommandantenhaus. Das ist die einzige Gefahr. Aber der Angriff wird ihn ablenken, denke ich. Also zwei Stunden nach Mitternacht. Die Eisenfeile nimmst du auf der Flucht mit, sie gehört mir, und keiner braucht sie nachher zu finden.«
    Tokei-ihto sah den Blonden forschend an.
    »Warum willst du mir helfen?«
    »Warum? Weil das hier eine Gemeinheit ist … Thomas und Theo haben recht.«
    »Lebt Smith noch?«
    »Halb gelähmt und halb ohne Bewußtsein. Der Schlag hat ihn getroffen. Es ist ein elendes Dasein. Er gilt als Gefangener. Seine Tochter sitzt bei ihm. Die ist jetzt auch nur noch eine heimatlose Waise. Aber das Mädchen hält sich tapfer. In der ist ein guter Kern.«
    »Du suchst Gold, Adam Adamson.«
    »Du weißt noch, daß ich das einmal zu dir gesagt habe?«
    »Ja, das weiß ich. Glaubst du, ich bezahle deine Hilfe?« Adams fuhr auf.
    »Sag das nicht zum zweitenmal, Dakota! Ich bin kein Hundsfott.«
    »Gut. Aber weißt du, was du tust? Du verrätst die weißen Männer, zu denen du gehörst.«
    »Das kannst du nennen, wie du willst.«
    »Du verrätst sie und hast doch vor, bei ihnen zu bleiben?«
    »So ungefähr. Man muß doch eine Gemeinheit wiedergutmachen können, ohne gleich von seinen Leuten wegzulaufen. Ich bin nun mal kein Indianer.«
    »Hau. Wenn mir die Flucht gelingt, werde ich deine Feile mitnehmen, damit du nicht entdeckt wirst.«
    Adams nickte und entfernte sich mit Schüssel und Krug.
    Das Blut des Gefangenen pulste schneller. Er blieb noch unbeweglich an der Blockwand sitzen, bis es ganz finster und draußen ruhig geworden war. Dann holte er die Feile hervor und begann mit seinen gefesselten Händen zu arbeiten. Es war sehr schwierig, aber er hatte stundenlang Zeit, um sein Ziel zu erreichen. Schon vor Mitternacht konnte er die Kette auseinandernehmen. Aber die Handschellen vermochte er nicht aufzuschließen. Tokei-ihto wartete. Er war bereit.
    Pünktlich zwei Stunden nach Mitternacht entstand draußen Unruhe. Ein Flintenschuß hatte geknallt, oben vom Turm gab Adams das Alarmzeichen, und der Gefangene hörte, wie sich das Mannschaftshaus öffnete und die fluchenden Rauhreiter herauskamen. Keiner schien noch recht zu wissen, was nun zu befürchten oder was zu tun sei. Es herrschte ein allgemeines Durcheinander im hinteren Hof. Auch aus dem Kommandantenhaus eilten Schritte dorthin, und Tokeiihto vernahm das Befehlebrüllen des Red Fox und die schnarrende Stimme von Roach. Von der Prärie her erklang das Kriegsgeschrei der Dakota.
    »Hi-jip-jip-hijaah!«
    Durchdringend gellte es in die mondlose Sternennacht. Weitere Schüsse fielen, und Tokei-ihto entnahm dem Geschrei im Hof, daß die Dakota auch mit Brandpfeilen schossen. Wasserfässer wurden herbeigeschleppt.
    Tokei-ihto stand an der Luke zum Hof. Er versuchte, sie im Sprung zu erreichen und sich mit den gefesselten Händen festzuklammern, aber es gelang ihm nicht. Er mußte auf Tschapas Hilfe warten. Der Getreue kam. Er zwängte mit Mühe den Kopf durch die schmale Luke und streckte die Arme aus. Tokei-ihto gab ihm die gefesselten Hände und schnellte sich ab, um dem Biber das Hochziehen zu erleichtern. In diesem Augenblick aber nahm er im Hof einen Vorgang wahr, der alles änderte. Er erkannte an Stimme und Gestalt Red Fox, der aus dem hinteren Hof herbeieilte. Tokei-ihto ließ die Hände des Gefährten los und sprang auf den Kellerboden zurück.
    »Red Fox!« schrie er Tschapa zu, um ihn auf die Gefahr hinter seinem Rücken aufmerksam zu machen. Tschapa Kraushaar fuhr in die Höhe und konnte sich dem Feind gerade noch stellen, ehe dieser ihn von hinten packte. Tokei-ihto sah die Füße der Kämpfenden. Er versuchte noch einmal, allein durch die Luke zu kommen, aber sie war zu hoch und zu schmal. Es war unmöglich, mit gefesselten Händen auf diesem Weg zu entkommen. Red Fox brüllte draußen einen Befehl, ohne daß

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