Der junge Häuptling
Eidechse sehr weise darüber geredet, was für Abenteuer die Knaben dereinst als große Krieger erleben wollten.
Von den Kinderspielen her fühlten sich Blitzwolke und Tschaske noch verbunden, und es gab darüber hinaus eine Gemeinsamkeit besonderer Art zwischen ihnen, über die sie niemals sprachen. Blitzwolke stammte »aus einem
Zelt von Verräterinnen«, wie Hapedah einmal geschmäht hatte. Tschaske aber war auch ein Waisenkind geworden und mußte im Zelt des ihm verhaßten Oheims Schonka leben. Durch die Bitterkeit solcher Erlebnisse waren der Knabe und das Mädchen in ihrem Fühlen und Denken früher gereift und im Grund ihres Wesens ernster als viele andere.
Tschaske kam von einer Beratung der Jungen Hunde, zu der sich die Knaben auf einer Wiese jenseits des Baches getroffen hatten.
»Was wird geschehen?« fragte ihn das Mädchen.
»Nichts«, antwortete Tschaske und schaute in die graue Ferne, um nicht zuviel von seinem Innern zu verraten. »Nichts. Die großen Schlachten sind im Norden der Schwarzen Berge geschlagen worden. Dort haben die Dakota gesiegt. Tschetansapa war dabei. Wir müssen warten, bis er mit den Kriegern vom Bund der Roten Hirsche zurückkehrt.«
Tag für Tag warteten nun wieder die Mädchen und Knaben, die Frauen und die Alten und die wenigen waffenfähigen Männer auf Tschetansapas Heimkehr. Endlich kam der Krieger.
Über die verbrannte Steppe galoppierte er mit zehn Kriegern zum Heimatdorf heran. Auch Blitzwolke sah vom Bachufer aus die Schar kommen. Sie erkannte mit aufspringender Freude die Siegestrophäen, die Tschetansapa und seine Krieger mitführten. Aber sie sah auch die finsteren Mienen des Anführers, und ihre Freude wurde wieder gedämpft von neuer Furcht und Ungewißheit.
Tschetansapa sprang ab und gab seinen Mustang Hapedah, der ihn zur Herde bringen sollte. Ehe der Krieger in sein eigenes Zelt ging, auch ehe er den Zaubermann Hawandschita aufsuchte, nahm er Tschapa Kraushaar beiseite, der ihn mit dem Jungen zusammen bei der Pferdeherde empfangen hatte. Die beiden Krieger gingen über das sandige Bachbett hinüber, um allein zu sein. Blitzwolke saß am Ufer und sah die Männer kommen. Sie rührte sich nicht, und da ihr Oheim Tschapa Kraushaar sie nicht fortschickte, blieb sie sitzen und vernahm, was gesprochen wurde.
»Wo ist Tokei-ihto?« war Tschetansapas erste Frage.
»Im Fort ermordet.«
Tschetansapas Hand zog sich unwillkürlich zur Faust zusammen.
»Und ihr? Warum habt ihr das Fort nicht genommen?«
»Es ist zu stark besetzt. Red Fox weiß, was er tut.«
»Ah, der Rote Fuchs!«
»Was ist bei euch geschehen?« fragte der Biber.
»Wir haben gesiegt und viele Langmesser getötet. Dann waren unsere Kugeln verschossen. Die Langmesser aber kamen mit neuen großen Scharen und einem neuen General. Sie reiten durch unsere Prärien. Tatankayotanka und Tashunka-witko ziehen sich mit unseren tapfersten Kriegern in Richtung des Gelbsteinflusses nordwärts zurück. Viele unserer Zelte aber haben sich schon ergeben und wandern in die Reservation.«
»Ich wußte, daß es so kommen würde«, sagte Tschapa vernehmlich, aber doch mehr zu sich selbst als zu dem anderen.
»Was nun?«
»Waren die Langmesser noch nicht hier bei unseren Zelten?«
»Noch nicht.«
»Dann werden sie bald kommen. Wir sollen in das ›schlechte Land‹ ziehen, in die Reservation.«
»Was dort?«
»Was dort!« Die Worte klangen wie ein Schrei, obgleich Tschetansapa leise sprach. »Nichts dort! Haben wir dafür die Langmesser erschlagen und sind unsere Krieger dafür gefallen? Wir ziehen mit unseren Zelten hinauf in die nördlichen Prärien, die noch frei sind, zu Tatanka-yotanka und Tashunka-witko. Ich habe die Scharen Tashunka-witkos nur verlassen, um euch zu holen. Wären wir früher hinaufgezogen, es wäre besser gewesen. Der Rote Fuchs hat uns alle in eine Falle gelockt, als er Tokei-ihto zu Jackman einladen ließ.«
Am folgenden Tag beriefen der Alte Rabe und Tschetansapa die Ratsversammlung ein. Tschapa Kraushaar hatte ihr bis dahin noch nicht angehört, aber da es sich um Sein oder Nichtsein des Stammes handelte, riefen die Männer ihn zu der Beratung hinzu.
Blitzwolke war froh darum, denn sie wußte, wie ihr Oheim stimmen würde. Die Beratung währte lange. Tschapa Kraushaar verließ abends als erster das Beratungszelt. Er ging aus dem Zeltdorf hinaus und schaute in den Herbstnebel. Blitzwolke stand neben ihm. Sie meinte mitzufühlen, wie sein Herz klopfte. Die Erregung der Beratung
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