Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der junge Häuptling

Der junge Häuptling

Titel: Der junge Häuptling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
Vom Netzwerk:
Mit klopfenden Herzen schliefen die Jungen und Mädchen ein.
    Bei Morgengrauen ging es weiter.
    Es wurde Nachmittag. Die Mustangs schnupperten am Gras und wollten fressen, aber es gab kein Erbarmen und keinen Aufenthalt. Blitzwolke verstand nicht ein Wort von dem, was die Langmesser schalten. Aber sie haßte den gemeinen Ton, in dem die Worte gerufen wurden. Red Fox war der einzige, der auch die Dakotasprache sprechen konnte. Als die Sonne wieder sank, drängte er sein Tier neben die Schimmelstute, die Uinonah ritt.
    »Schöne Schwester meines großen Feindes Tokei-ihto«, sagte er mit Gaumenstimme. »Ich erkenne dich wieder! Wir haben uns doch in eurem Zelt getroffen. Du bist ein hübsches Mädchen, obgleich du etwas traumverloren und geistesabwesend wirkst! Andere Kleider müßtest du tragen, dann könntest du dich in den Städten der weißen Männer sehen lassen. Du bist Capt’n Roach aufgefallen. Wie wär’s? Willst du dich nicht von diesem Hundeleben auf der Prärie lossagen?«
    Uinonah schwieg.
    »Ganz der Bruder!« spottete Red Fox. »Ich will dich genauer informieren, weil ich doch für deine Familie von jeher etwas übrig hatte. Ihr kommt in die Bad Lands mit euren Zelten, in die Wüstenei nordwestlich des Weißen Flusses. Häßliche Gegend! Agent eurer Reservation ist Major a. D. Jones, und ich bin seine rechte Hand. Tatsächlich, wir haben euch Indsmen eine nette felsige, sandige Landschaft ausgesucht, wo ihr künftig leben könnt. Ihr werdet dort Zeit genug haben zum Nachdenken.
    Etwas Vieh, etwas Konserven werden geliefert. Im übrigen könnt ihr von den alten Zeiten und den großen Taten Tokei-ihtos spinnen, der in unserem Keller gut begraben ist. Vergeßt meinen Namen dabei nicht! Etwas zuviel Leute seid ihr; wird sich mit der Verpflegung schlecht machen lassen. Eine Anzahl Dakotakinder kommt gleich in ein Schulinternat. Ich denke, da können wir die euren dazugeben. Damit ihr sie nicht falsch erzieht, damit sie endlich etwas lernen und damit sie keinen Hunger leiden. Guten Abend! Wünsche wohl zu ruhen.«
    Blitzwolke hatte zugehört, und Schrecken überfiel sie. Von den Zelten sollte sie weggeschleppt werden? Fort von Uinonah, fort von Untschida, fort von Tschapa Kraushaar, fort vielleicht auch von Tschaske und Hapedah? Gefangene der weißen Männer sollte sie für viele Sommer und Winter werden?
    Als die Nacht hereingebrochen war und sie mit Uinonah unter der Büffeldecke lag, fragte sie leise: »Uinonah, müssen unsere Krieger nicht alle erfahren, daß die Milahanska uns Kinder rauben wollen? Niemals gehe ich mit den Räubern!«
    »Der Rote Fuchs hat laut genug gesprochen. Unsere Krieger wissen alles«, antwortete Uinonah, und es schien Blitzwolke, daß die Schwester des verratenen Häuptlings zu jedem Widerstand für die Kinder entschlossen war. Da begriff Blitzwolke, daß der Geist, der in Uinonah gefahren zu sein schien, kein böser Geist sein konnte. Sie legte den Kopf ohne Scheu an Uinonahs Schulter, und sie wußte nicht, daß es eben diese kleine vertrauensvolle, um Schutz bittende Bewegung war, die Uinonah in das Leben zurückholte.
    Von dieser Nacht an verstärkten sich Unruhe und Zorn bei den Mitgliedern der Bärenbande, doch nach außen hin wurde nichts davon sichtbar. Blitzwolke hielt die Augen offen, und sie beobachtete vom kommenden Morgen an jeden Krieger aufmerksam. Tschetansapa, Tschapa, Tschotanka und Speerspitze, auch die beiden Söhne des Alten Raben, genannt die Rabenbrüder, Ihasapa und Antilopensohn, der ältere Bruder Tatokanos, verdoppelten offenbar ihre Vorsicht und Umsicht. Aber Schonka, Rotflügel und Tatokano begannen sich auf Gespräche mit Red Fox einzulassen. Sobald wieder gelagert wurde, schämten sich diese drei Krieger nicht, zu den Dragonern und Rauhreitern hinzugehen, sich an deren Feuer zu setzen und aus deren Vorrat mit zu essen, während die Frauen und Kinder hungerten und den Mundvorrat sparten.
    Zwei Tage danach nahm Blitzwolke wahr, daß die drei jungen Männer, die das Mädchen im stillen elende Verräter nannte, Munition für ihre Gewehre bekamen und nicht mehr mit den Kriegern der Bärenbande, sondern als Scouts bei der feindlichen Schar ritten. Welche Schande, welche Schande! Blitzwolke war blaß vor Zorn.
    Das Wetter wurde sehr klar und kalt. Nach Norden hin konnte der Blick bis zu den bewaldeten und den felsigen Höhen der Black Hills schweifen, deren Bodenschätze für den Stamm der Dakota zum Unglück geworden waren, da sie die weißen Männer

Weitere Kostenlose Bücher